Logistik-Boom im Anmarsch
Um sowohl die angenommen größere Nachfrage der Zukunft abdecken zu können als auch die ESG-Kriterien zu erfüllen, werde aktuell an alternativen Lösungen gearbeitet: So könnten doppelgeschoßige Logistikimmobilien oder Multi-Level-Gebäude Konzepte der Zukunft sein, erklärt Jörg Kreindl, Head of Industrial & Logistics EMEA bei CBRE. Trotz aller Herausforderungen überwiege die Nachfrage, die zu einer noch nie dagewesenen Dynamik am Logistikmarkt Österreich führe. „Die nächsten drei Jahre bringen einen regelrechten Bauboom am österreichischen Logistikmarkt. Bis 2024 sollen in Wien, Graz und Linz rund 1,4 Millionen Quadratmeter Logistikflächen errichtet werden, der Bestand wächst um 20 Prozent“, so Kreindl, der unterstreicht, dass diese Flächen auch wirklich gebraucht werden, da der Großteil des Bestandes von 5,6 Millionen Quadratmetern modernen Anforderungen nicht entspreche.
Treiber am Logistikmarkt seien der Onlinehandel, Effizienzsteigerung, Branchenwachstum (wie etwa im Lebensmittelhandel) sowie die Restrukturierung von Lieferketten. „Ein Teil der Neubauten ist aber auch notwendig, da nur rund die Hälfte der bestehenden Flächen Klasse-A-Flächen sind und damit den ESG-Kriterien entsprechen“, so der Logistikexperte Kreindl abschließend.
Für ein Statement gewonnen wurde auch Georg Fichtinger, Head of Investment Properties von CBRE. Zur Lage der Zinsen äußert er sich folgendermaßen: „Zurzeit wird noch nicht billiger gebaut, es könnte allerdings sein, dass sich dies in den nächsten Monaten ändert. Baufirmen sind vermehrt auf der Suche nach Auslastung für das Jahr 2023 und die folgenden Jahre. Eine Absicherung gegen die Entwicklung der Zinsen ist über Fixzinssätze, die allerdings ebenfalls sehr teuer sind, möglich. Ansonsten versuchen Developer, möglichst zeitnah zu verkaufen – im Rahmen von
Forward Deals.“
„Büro“ erfindet sich neu
Dass Immobilien im neuen Zinsregime ab einer gewissen Schwelle nicht mehr das Veranlagungsgut schlechthin sein werden, weil andere Veranlagungen plötzlich lukrativer sind, befürchtet Andreas Gnesda, Eigentümer der hauptsächlich auf die Vermittlung von Büroimmobilien spezialisierten Gnesda Real Estate & Consulting GmbH. Schon heute tue sich eine „extreme Spreizung in Bezug auf das Investitionsvolumen und die zu erzielbaren Mieterträge“ auf, die Renditen werden immer geringer. Die Mieten werden folglich steigen müssen, was laut dem Experten dazu führen werde, dass einige Teile des Marktes nicht mehr in der Lage sein werden, enorm gestiegene Mieten zu bedienen.
Neben dem (schwächer argumentierbaren) Aspekt der Rendite wird für Immo-bilieninvestoren aber desto mehr die Wertsteigerung von Objekten im Mittelpunkt stehen. Denn eine Erhöhung der Preise bedeute auch eine „Vermehrung der Werte“. „Insgesamt bräuchten wir mehr Angebot“, so Gnesda, „insbesondere hochwertige neue Büroflächen“, denn das Büro werde in Zukunft ein „Ort der informellen Kommunikation“ sein und mit modernen Konzepten die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen stärken.
Entwicklung der Asset-Klassen
Laut dem aktuellen EHL Investmentmarktbericht hat sich die starke Sicherheitsorientierung der Investoren auch im zweiten Quartal des Jahres fortgesetzt und zu einer guten Performance, insbesondere jener Assetklassen, geführt, die nach Einschätzung der Investoren hohe Sicherheit versprechen. So rangieren stark risikodiversifizierte, gemischt genutzte Immobilien, die eine Mischnutzung aus mehreren Bereichen wie Einzelhandel, Büro, Wohnen und teils gewerblichen Wohnanteilen aufweisen, zum Halbjahresende mit einem Anteil von über 28,5 Prozent auf dem ersten Platz. Institutionelle Wohnprojekte, die in den letzten Jahren die Führungsrolle eingenommen haben, sind auch aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit mit einem Anteil von 19 Prozent auf Platz zwei gerutscht, knapp vor Büroprojekten mit 16 Prozent. Der Anteil der Assetklasse Logistik liegt im ersten Halbjahr aufgrund der vorherrschenden Angebotsknappheit sowie der länger andauernden Transaktionsprozesse bislang nur bei drei Prozent, wird sich aber im Jahresverlauf wohl noch deutlich steigern.
Die Spitzenrenditen für institutionelle Wohnprojekte sowie Büroobjekte bewegen sich für Top-Produkte weiter um die drei Prozent, während schlechtere Lagen, kürzere Mietvertragslaufzeiten sowie drohender Leerstand oder ein nicht ESG-konformer Zustand der Objekte mit deutlichen Risikoaufschlägen von bis zu 100 Basispunkten – und in Ausnahmefällen auch mehr – abgestraft werden. Im Logistikbereich liegen die Renditen für ausgewählte, langfristig vermietete Objekte weiterhin auf Rekordniveau von unter 3,5 Prozent. Im Retailbereich ist zwischen Nahversorgung (Supermärkte, Fachmarktzentren) und großen Shoppingcentern zu unterscheiden. Fachmarktzentren waren auch während der Pandemie gefragt, wobei das Interesse in den letzten Monaten sogar kontinuierlich gestiegen ist.
Krisenresistente Immobilienwirtschaft
Die Pandemie und der andauernde Ukraine-Konflikt haben der europäischen Gesellschaft und vor allem der Wirtschaft in den letzten Monaten außerordentliche Herausforderungen beschert, die dem Kontinent das Äußerste abverlangen. Zusammen mit den rapide gestiegenen Baukosten, dem sich ändernden Kapitalmarktumfeld und dem steigenden Zinsniveau gibt es mittlerweile einige Faktoren, die den Ausblick auf die Zukunft etwas trüben. Die Immobilienwirtschaft konnte sich trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen in den meisten Bereichen jedoch erstaunlicherweise gut entwickeln.
Einen wesentlichen Einfluss auf die Immobilienwirtschaft und in weiterer Folge auch auf die Preisbildung und das Transaktionsgeschehen wird in naher Zukunft die Umsetzung der EU-Taxonomie und der korrespondierenden nationalen Programme haben. Obwohl bedingt durch die hohen Energiepreise der Eindruck entsteht, die EU-Kommission würde von den postulierten Nachhaltigkeitszielen abweichen, ist davon auszugehen, dass die eingeschlagene Entwicklung in den nächsten Jahren eine außerordentliche Dynamik erreichen wird, die vieles in der Immobilienwirtschaft ändern wird.
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