Der Wiener Stephansdom innen und außen ockerfarben gestrichen, mit weiß angemalten Fugen zwischen den Steinen? Was heute jedem an Kultur interessierten Beobachter wie ein Sakrileg erscheinen mag, war ab dem 14. Jahrhundert Realität. Aus heutiger Sicht noch kitschiger muss der romanische Vorläuferbau der Stephanskirche erscheinen: Da waren die Wandflächen weiß mit roten Fugen, Skulpturen und Ornamente waren sogar bunt bemalt.
Die offensichtliche Farbenfreude der Menschen des Mittelalters, die auch vor bunten Sakralbauten nicht zurückschreckte, wich erst in der Neuzeit ab dem 16. Jahrhundert dem heute bekannten grauen Erscheinungsbild des Wiener Wahrzeichens. Vor allem ab dem 19. Jahrhundert setzte der Trend ein, den Stein in seiner natürlichen Farbgebung zu belassen, was das massenhafte Entfernen von Farbschichten an sakralen und profanen Bauten in Stein zur Folge hatte.
Keinen Spielraum für modische Farbwechselspiele ließen hingegen seit jeher die Natursteinböden von Sakralbauten zu. So wie sie von den Baumeistern geplant worden waren – ein- oder mehrfärbig oder in unterschiedlichen Mustern und Mäandern –, so überdauerten sie die Jahrhunderte, lediglich abgenutzt durch Abermillionen von Füßen und den Zahn der Zeit. Eine Sanierung eines Natursteinbodens bedeutet in der Regel lediglich das Reinigen und Neuverlegen der historischen Platten mit gelegentlichem Austauschen einzelner Steine. Zum Glück für heutige Restauratoren bedienten sich die Baumeister der Sakralbauten damals der in ihrer Region vorkommenden Steinbrüche. Diese liefern entweder heute noch Material zur perfekten Ergänzung oder können zumindest in Einzelfällen noch reaktiviert werden.
Stiftsbibliothek Admont: Wie vor 240 Jahren
Ein Beispiel für die nachhaltige Verwendung von Naturstein ist die Sanierung der Bibliothek im Stift Admont in der Steiermark. Das auf eine Stiftung der Hemma von Gurk zurückgehende Benediktinerstift wurde im Jahr 1074 durch Erzbischof Gebhard von Salzburg gegründet. Als ältestes bestehendes Kloster der Steiermark hat es große Bedeutung für den gesamten süddeutschen und österreichischen Raum. Um 1770 entstand der Bibliothekssaal im damals zeitgenössischen Barockstil, ausgeführt von dem Wiener Architekten Josef Hueber und künstlerisch ausgestattet von Josef Stammel und Bartolomeo Altomonte. Er liegt im Ostflügel des Stiftsgebäudes. Im ersten Obergeschoß des Südtraktes ist die Bibliothek über das Museum zugänglich.
Mit einer Länge von 70 Metern, einer Breite von 14 Metern und einer Höhe von elf Metern (in der Mittelkuppel 12,7 Meter) ist dieser Raum der größte klösterliche Bibliothekssaal der Welt. Als Bodenbelag wählten die Baukünstler ein rautenförmiges Muster aus Natursteinen in den Farben Weiß, Rot und Grau, die in der gesamten Bibliothek in raffinierter Weise zu geometrischen Mustern gefügt sind und scheinbar räumliche Stufengebilde erkennen lassen. Jede der über 7000 Rauten ist aus dem weißen Sölker, dem roten Adneter und dem grauen Wildalpener Marmor zusammengesetzt.
Der zentrale Kuppelraum der Stiftsbibliothek wird durch den vertikalen Akzent geprägt, den zwölf gewölbetragende Säulen aus rötlichem Adneter und Untersberger Marmor setzen.
Zwischen 2004 und 2008 wurde die Stiftsbibliothek renoviert. Die wesentlichen Restaurierungsarbeiten betrafen die Fresken, die Bücher und die sonstige Ausstattung der Bibliothek. Der Steinboden war auch nach 240 Jahren in recht gutem Zustand, berichtet Baumeister Lambert Gahbauer, der Leiter der Bauabteilung des Stiftes Admont. Einige Steine seien gebrochen oder locker gewesen. Diese habe man in Kalkpatschuk – einer dünnflüssigen Zement-Beton-Mischung – neu verlegt. Das Anstrengendste bei der Restaurierung sei allerdings die Reinigung der Bodenplatten gewesen, berichtet Gahbauer. Diese seien nämlich über Jahrzehnte falsch gereinigt worden und mit einem gelblichen Kunststofffilm überzogen gewesen.
Während die Säulen der Bibliothek kaum beschädigt waren, mussten die Bodenplatten im Bibliotheksgang komplett entfernt, nummeriert und nach Sanierung des Unterbodens wieder verlegt werden. Gebrochene Platten wurden übrigens nicht erneuert, sondern mit ihren sichtbaren Sprüngen belassen.
Aber es wurden auch neue Bereiche mit Natursteinboden verlegt, wo es vorher keinen gab. Etwa im Stiegenhaus rund um den neu eingebauten Lift. Hier kommt ein wesentliches Argument für die Verwendung von regional vorhandenen Natursteinen zum Tragen: Denn der Sölker Marmor, der vor 240 Jahren als Bodenbelag verwendet wurde, wird immer noch abgebaut. So ergeben die neuen Platten gemeinsam mit den ursprünglichen wieder ein harmonisches Gesamtbild.
Angeschlossen an das Stift Admont wurde 2003 das vom Wiener Architekten Manfred Wehdorn geplante Stiftsmuseum eröffnet. Es erstreckt sich mit einer Ausstellungsfläche von 3.600 m2 über drei Geschoße und zwei Trakte. Für die Verkleidung der Tür- und Fensterstöcke sowie der Stufen wurde ein blumiger Pinolitmagnesit verwendet.
Sanierung der Apsis der Votivkirche
Die Votivkirche in Wien ist eines der bedeutendsten neogotischen Sakralbauwerke der Welt und ein europäisches Kulturdenkmal. Bewitterte Steinflächen an dem 1879 fertiggestellten Bauwerk wiesen starke Verkrustungen aus Ruß und Salzen auf. Bei vielen Ziertürmchen waren die Verzapfungen der Steinteile teilweise abgerostet, tragende Steinteile waren stark verwittert und absturzgefährdet. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erhaltung der Bausubstanz und der filigranen Bauzier ist die im Sommer 2015 vom Steinmetzmeister Ecker abgeschlossene Sanierung der Apsis in Abstimmung mit dem Bauamt der Erzdiözese Wien und dem Bundesdenkmalamt. Unsachgemäße Überarbeitungen wie Zementplomben wurden entfernt, schadhafte Vierungen, Kittungsergänzungen und Ausfugungen früherer Sanierungen ausgelöst. Mürbe und abstehende Oberflächen wurden mit Kieselsäureester gefestigt und lockere, brüchige Steinteile an Ort und Stelle mit Nirosta-Klammern gesichert. Bei Schäden an exponierten Stellen, die für das Erscheinungsbild von Bedeutung sind, wurden die Fehlstellen mit Vierungen aus entsprechendem Naturstein steinmetzmäßig ersetzt. Ebenso rekonstruierten erfahrene Steinmetze und Bildhauer etliche verlorene Zierelemente wie Kreuzblumen und einzelne Partien der Balustrade originalgetreu. Zum Einsatz kamen Mannersdorfer und Vincenza Kalkstein sowie feinkörniges Lindabrunner Konglomerat.