361 Naturstein

Vom Parkplatz zum Lebensraum

Alle Fotos: © Richard Watzke
Trotz Anpassung an die Bedürfnisse eines zeitgemäßen urbanen Raums soll der historische Charakter des Platzes erhalten bleiben.
Alle Fotos: © Richard Watzke

Der Neue Markt in der Wiener Innenstadt wird bis Herbst 2022 grundlegend umgestaltet. Autos werden in ein unterirdisches Parkhaus verbannt. Eine tragende Rolle im Gestaltungskonzept spielt österreichischer Granit. Zeit für einen Zwischenbericht.

von: Richard Watzke

Als einer der ältesten Plätze Wiens hatte der Neue Markt schon seit Langem eine schönere Rolle verdient. Vollgeparkt, für Passanten unattraktiv, mit einem Asphalt-­Fleckerlteppich bedeckt, so erlebten ihn Generationen von Wienern und Touristen. Nach langen Diskussionen zwischen Stadtpolitik, Investoren und Anrainern wurde endlich ein Konsens gefunden: Der ge­samte Platz wird weitgehend autofrei, ein vierstöckiges Parkhaus bietet mehr als 360 Parkplätze für Anwohner und Besucher, sechs Platanen spenden mit ihren großen Baumkronen Schatten und eine Pflasterung aus hellgrauem Granit fördert die Abkühlung des Stadtklimas. Seit 2019 laufen die Bauarbeiten, Ende 2022 ist die Fertigstellung geplant. Die Kosten trägt der private Parkhausbetreiber, für die Planung zeichnet die Wiener Architekt Katzberger ZT GmbH verantwortlich. Die Begutachtung und Mitwir­kung aus dem Blickpunkt der Stadtgestaltung erfolgte durch die Stadt Wien – Architektur und Stadtgestaltung (MA 19).
Großen Anteil am Gestaltungskonzept jedes Platzes hat die Wahl der Pflasterung. Nach den erfolgreichen Natursteinpflasterungen in der Kärntner Straße, der Rotenturmstraße, am Graben und am Stephansplatz erhält auch der Neue Markt einen Natursteinbelag aus regionalem Granit. Die Anforderungen seitens der Stadt Wien an die Pflasterung erläutert Wolfgang Ablinger von der Stadt Wien – Straßenverwaltung und Straßenbau im folgenden Interview.

Stichwort Stadtklima: Wie hoch schätzen Sie den Kühleffekt durch hellgrauen Granit anstelle von dunklerem Asphalt?
Wolfgang Ablinger: Zur Reduktion der sommerlichen Überwärmung im dicht verbaut­en innerstädtischen Gebiet tragen Begrünungen, unversiegelte Bereiche oder die Verwendung von Materialien mit geringer solarer Absorption bei. Dunkle Flächen, die sich stark erhitzen und diese Wärme speichern, führen zu verstärkter Erwärmung der Umgebung, helle Oberflächen mit hohem Rückstrahlvermögen (Albedo) verringern diesen Effekt. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich dunkle Asphaltflächen bei direkter Sonneneinstrahlung und einer Außentemperatur von rund 32 °C auf knapp 60 °C aufheizen können – durch helle Pflasterungen, beispielsweise hellgraue Granite, kann diese Erwärmung um mehr als 10 Grad reduziert werden.
Ein weiterer bekannter Vorteil von Pflasterungen ist, dass durch den Wasserrückhalt auf der Fläche und die Versickerungs­fähigkeit von gepflasterten Oberflächen in ungebundener Bauweise das Mikroklima und somit die Aufenthaltsqualität verbessert werden können, da die Verdunstung zu einer Temperaturreduktion führt. Mit solchen klimarelevanten Maßnahmen können wir einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten.

Wie unterscheidet sich eine Pflasterung über einer Parkgarage von einer Fußgängerzone wie der Kärntner Straße?
Wolfgang Ablinger: Die Tiefgarage am Neuen Markt hat eine ausreichende Überdeckung, also einen Abstand von Garagenoberkante bis zur Oberkante Pflasterung. Es kann somit ein kompletter Straßenaufbau vorgesehen werden, weshalb sich die Straßenkonstruktion oberhalb der Tiefgaragendecke nicht von der Pflasterung in den angrenzenden Fuß­gängerzonen unterscheidet.

Mit welchen Herausforderungen sind Sie beim Neuen Markt konfrontiert?
Wolfgang Ablinger: Grundsätzlich ist die Koordinierung zwischen dem Planungsbüro, den ausführenden Firmen und Einbautendienststellen eine komplexe Aufgabe, die umfangreiches Fachwissen aus unterschiedlichen Bereichen erfordert. Zusätzlich wurden im Zuge des Ressortwechsels im Stadtratsbüro die Pläne nochmal deutlich überarbeitet, um mehr Begrünung und Kühlungsmaßnahmen auf die Fläche zu bringen. Eine besondere Herausforderung am Neuen Markt ist, dass der Platz in diesem innerstädtischen Raum sehr begrenzt ist – sowohl horizontal als auch vertikal. Die unterirdische Garage, diverse Keller, Einbauten wie Verrohrungen, Grünflächen und Baumpflanzungen müssen nebeneinander oder übereinander jeweils Platz finden und ihre Funktion erfüllen können. Durch Bestandsaufnahmen und Probebohrungen konnten praktikable Lösungen gefunden werden. Die Anliegen der Anrainer und der Schanigartenbetreiber wurden ebenfalls im Einzelfall geprüft und nach Möglichkeit in das Projekt eingearbeitet.
Für die großen Platanen, die auf dem Platz eingepflanzt werden, musste aufgrund der begrenzten Überdeckung eine besondere Lösung gefunden werden. Da die Bäume eine Bodentiefe von 1,75 Me­tern brauchen, werden in Granit eingefasste, erhöhte Baumscheiben errichtet, die etwa einen Meter über den Boden ragen. Diese Notwendigkeit wird dazu genutzt, um an den Graniteinfassungen Sitzelemente anzubringen, die zum Verweilen im konsumfreien Raum einladen. Die Baumscheiben werden darüber hinaus begrünt und mit Vernebelungsanlagen versehen. Vor allem durch die Größe der bereits etwa zehn Meter hohen Bäume entsteht von Anfang an ein schattiges und kühles Mikro­klima auf dem Platz. Dazu kommen noch weitläufige Staudenbeete, elf Sprühnebel und ein Wasserspiel für zusätzliche Kühlung.

Welchen Stellenwert haben regionale Baustoffe bei Ausschreibungen der Stadt Wien?
Die Ausschreibungen erfolgten nicht von der Stadt Wien, sondern wurden vom Tiefgaragenbetreiber ausgeführt. Generell ist es aus ökologischen Gründen, vor allem betreffend CO2-Ausstoß, ein wichtiges Ziel, Baustofftransporte zu reduzieren. In Österreich gibt es eine sehr hohe Anzahl quali­tativ hochwertigster Naturwerksteine, weshalb im Planungs- und Beschaffungsprozess darauf geachtet wird, dass primär heimisches Material zum Einsatz kommt. Auch das Thema der Nachlieferbarkeit des Pflastermaterials ist von Bedeutung. Bei heimischen Steinbrüchen ist das im Regelfall gewährleistet. Die Stadt Wien – Straßenverwaltung und Straßenbau achtet darauf, den Schutz der Kinder- und Menschenrechte in ihrem Einflussbereich zu unterstützen, insbesondere indem keine von Kindern oder durch Zwangsarbeit hergestellten Materialien verwendet werden. Die Verwendung von Baumaterialen, die in Verdacht stehen, durch Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt worden zu sein, ist aufgrund unserer Ausschreibungsbedingungen untersagt. Deshalb sind Billig­importe von Materialien mit zweifelhaftem Ursprung – auch bei Randsteinmaterialien – für Flächen, die in unserer Verantwortung stehen, nicht möglich.

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