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Visionäre Schulbauten und die Realität

© Markus Seidl
Für die Erhaltung des von Helmut Richter geplanten Schulbauwerks am Kinkplatz mit Stahlkonstruktion und Glasfassade wird gekämpft. Der visionäre Bau ist den klimatischen Verhältnissen nicht gewachsen und braucht eine zeitgemäße Sanierung.
© Markus Seidl

Gesellschaftliche Ziele manifestieren sich manchmal in Bauaufgaben für die Jungen. Dabei klafft zwischen dem Gewollten und Gebrauchten bald eine Lücke, die es zu überbrücken gilt, notfalls auch mit Zeit.

von: Peter Matzanetz

Es war im Jahr 1994, als die Schule am Kinkplatz in Wien-Penzing dem ersten Jahrgang übergeben wurde. Da war der spätere Kanzler Viktor Klima gerade Abgeordneter zum Nationalrat und folgender Ausspruch von ihm ist überliefert: „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen.“ Vielleicht wäre es dem Architekten des nämlichen Schulbaus, Helmut Richter, am Ende seines Lebens nicht so schlecht gegangen, hätte er es nur getan. Gekommen war es anders und nach einer Direktbeauftragung realisierte sein Architekturbüro gemeinsam mit den besten Bauphysikern und Bautechnikern, die das Land zu bieten hatte, einen Schulbau mit Stahlskelett, Glasfassade und Glasdach. Das war ein Knalleffekt, der dann für viele auch zu viel war, und die Medien wussten über jede Schraube, die dort locker war, zu berichten. Der Bauherr, die Stadt Wien, ist 26 Jahre danach mit einem keinsfalls leichten Sanierungsfall konfrontiert. Die Kosten waren mit 55 Millionen Euro nicht direkt niedrig veranschlagt worden und das Gebäude war dann der Schulnutzung entzogen worden. Die Liegenschaft wurde dafür ans Wohnbauressort zur Verwertung weitergereicht.

Verantwortung eines Bauherrn
Das Architekturzentrum Wien als Nachlassverwalter von Helmut Richter zitiert diesen so: „Ich wollte eine Schule machen, bei der nicht gleich das Unangenehme, das bei Schulen immer so auffällt, sich bemerkbar macht.“ Das war ihm gelungen, aber stattdessen hatte sich hinter Glas unangenehme Hitze oder Kühle bemerkbar gemacht. Seit drei Jahren steht der Bau leer, wird überwuchert und von Vandalen heimgesucht. Hangwasser setzt ihm auch zu und Johannes Zeininger, Mitinitiator von Bauten-­in-Not, begründet Letzteres mit nie korrigierten Bauschäden. Seine Initiative hat trotz aller Widrigkeiten zum Zweck der Rettung des Bauwerkes unter prominenter Beteiligung eine Petition zur allgemeinen Unterschriftsleistung aufgelegt. Dass das Gebäude von Anfang an schlecht nutzbar gewesen sein soll, lässt Zeininger nicht gelten: „Es wurde gezielt eine experimentelle Hochbauleistung geplant, die so auch bestellt war.“ Dafür würden die Planenden nichts können und die Stadt Wien hätte sich damit auch international profilieren können. Fürs Prestige war aber die ursprünglich eingeplante Photovoltaik am Dach eher nicht notwendig, zumindest war sie weggelassen worden. Gegen die Überhitzung wäre die Beschattung durch die Module aber wichtig gewesen. Im Betrieb hat der unbedarfte Umgang mit dem Thema die Dinge nicht gerade verbessert, denn die Lüftungsklappen waren einfach geschlossen geblieben und die Rollos waren anscheinend öfter mal defekt. Die Folge war ein Glashaus­effekt, der von diversen Medien gerne thema­tisiert wurde. „Das Gebäude war einfach an die normale Verwaltung übergeben worden“, beklagt Zeininger, und er sieht es als unmöglich an, dass der Bezirk als Erhalter mit solchen Dingen zurande kommt. Letztlich hätte sich mit der Richter-Schule gleichsam ein offeneres Gegenmodell zur traditionellen Schule manifestiert und damit wäre die Architektur Opfer eines Kulturkampfes geworden, der bis heute ein Nachspiel hat.

Das „ungeliebte Kind“
Um die Sonderfälle im Schulbau kümmert sich in Wien gerne die Wiener Infrastruktur Projekt GmbH aus der Wien Holding. Sie ließ den modularen Ersatzneubau der Schule am Kinkplatz aufstellen. Die von Maurer & Partner Architekten geplante Holz-Stahl-Konstruktion ist der ungleiche Bruder des problematischen Helmut-Richter-­Baus. Zeitgemäße Holzarchitektur, barrierefrei nutzbar, alle räumlichen Erfordernisse erfüllend ist dieser – und dann war da noch etwas. „Die Stadt Wien und die Wien Holding leben Nachhaltigkeit, sowohl ökologisch als auch ökonomisch“, betont die Finanzstadträtin Renate Brauner bei der Eröffnung. Der ursprüngliche Schulbau muss trotzdem erhalten werden, meint man bei Bauten-in-Not, und Johannes Zeininger begründet: „Nur ein Weiterbauen ist ökologisch und ökonomisch das gesamtwirtschaftlich Beste.“ Mit heutigen technischen Möglichkeiten sei das möglich und es ginge ums Adaptieren eines visionären Baus, der seiner Zeit voraus war. Das Ergreifen von Maßnahmen wäre aber nur in Kombination mit einem Nachnutzungsziel sinnvoll.

Passende Nachnutzung
Die nahe dem Standort einziehende „Central European University“ wäre ein Wunschkandidat zur Nachnutzung. Auch ein Betrieb als Start-up-Campus scheint möglich. Andreas Vass, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA), wünscht sich ein lösungsorientiertes Vorgehen: „Am besten ist es, mittels Szenarien sinnvolle Baumaßnahmen zu erarbeiten.“ Die Basissanierung der Schäden würde fünf bis zehn Millionen Euro kosten. Die Qualitäten der Räume seien laut Vass mit ihrer Großzügigkeit augenscheinlich und die Bauweise ließe alles zu: „Das Stahlbeton­skelett und die Leichtbauweise sind grundsätzlich offen gegenüber Veränderung.“ Von einer rein technischen Sanierung hält er nichts, da alle Qualitäten verloren gehen würden. Der Denkmalschutz ist auch bereits auf den Plan gerufen und eine Unterschutzstellung wurde angebahnt. Im Herbst wird sich jedenfalls der Wiener Gemeinderat mit der Petition zur Erhaltung des Schulgebäudes zu befassen haben.

Boden der Realität
Auch bei der Roland-Rainer-Schule in Wien-Donaustadt war der Denkmalschutz Thema. Zur Zeit des Umbaus der Front war der­selbe gerade aufgehoben, was man dem Gebäude nun anmerkt. Die stellvertretende Direktorin des Gymnasiums und Architekturschaffende Athanasia Siegl-Hadjiioannou berichtet außerdem von Veränderungen im Lauf der Zeit: „Mit der ersten Generalsanierung kam die Plattenverkleidung, wo ursprünglich nur Sichtbeton war, und die Fenster wurden getauscht.“ Zu jenem Zeitpunkt zwar das Gebäude nur fünf Jahre alt, aber die erste große Energiekrise führte zu Dämmmaßnahmen. Mit der vorgesetzten Fassade ist der Bau thermisch saniert worden und auch im Inneren wurde manches an die Nutzung angepasst. Betonrippen an der Decke wurden ansatzweise mit Akustikplatten zugedeckt und einfache Lichtkuppeln über der Aula sind zur öffenbaren Oberlichte mutiert. Im Kern steht der Bau aber so da, wie er vor mittlerweile fünfzig Jahren seiner Bestimmung übergeben wurde. Die südseitige Galerie ist mit rund zwei Metern Durchgangshöhe auffallend niedrig. „Der Direktor selbst ist 1,97 Meter groß und muss sich beim Übertritt bücken“, berichtet Siegl-Hadjiioannou über den Alltag mit kinderfreundlicher Architektur.

Veraltete Modernität
Die Klassenräume weisen im Grundriss gekapp­te Ecken auf. Sie bis in den letzten Winkel mit Schreibtischen zu füllen sei deswegen nicht möglich. Das ginge zwar zu Ungunsten der Raumausnutzung, aber gera­de das mache das Unterrichten hier angenehm – jede Klasse hat einen angeschlossenen Garderoberaum. „Man könnte die Klassen noch öffnen, um geteilten Unterricht abzuhalten“, sieht die stellvertretende Direktorin ungenutzte Möglichkeiten für den modernen Unterricht. Einen Umbau des Hofes wickelt sie mangels Eigenmittel über eigens angesuchte Kunstbudgets unter Beteiligung von Architekturinstituten der TU Wien ab. Das Gebäude präsentiert sich als ausgesprochener Zweckbau. Die Originallackierung am Geländer oder was davon noch übrig ist und der willkürlich ausgebesserte Terrazzoboden zeugen davon. Mittlerweile ist die Schule Teil eines Bildungscampus mit angebundener Wirtschaftsschule, die nach einer Planung der deutschen AMP Architekten umgesetzt wurde. Der dazwischen liegende Erweiterungstrakt der Roland-Rainer-Schule wurde gleich mitgeplant. Beim Übertreten der Schwelle zwischen dem Neubauteil und dem Hauptgebäude vollzieht sich beim Besucher quasi eine Zeitreise.

Im Zeitgeist angekommen
Bei der Erweiterung der Mittelschule am Enkplatz lässt der Neubauteil den unter Denkmalschutz stehenden Bestand auch ganz schön alt aussehen. Die Vision von Offenheit von Schule ist im Neubau endgültig zur planerischen Realität geworden. „Über Gemeinschaftsräume und Freiklassen haben die Schüler verschiedenste Möglichkeiten, den Schulalltag zu verbringen“, sagt Marianne Durig von den planenden Burtscher Durig Architekten. Zwischen den zwei denkmalgeschützten Bestandsgebäuden ließen sie einen Riegel stirnseitig quer verlaufen.

Volksschule der neuen Generation
Ganz ohne große Änderungen ausgekommen ist bislang die Hans-Hollein-Schule in Wien-Währing. Als Volksschule der neuen Generation wurde sie nach langem Vorlauf 1990 eröffnet und erfreut sich dreißig Jahre danach größter Beliebtheit bei Schülern, Eltern und Lehrern. Als eine der ersten Ganztagsschulen ist das bereits denkmalgeschützte Gebäude mittlerweile vom modernen Zeitgeist eingeholt, aber nicht überholt worden. Individuelle Raumgestaltung im menschlichen Maßstab mit prägenden Stil- und nützlichen Raum­elementen machen den Bau zum Wunschobjekt für alle Eltern aus der Umgebung mit Kindern im schulfähigen Alter. 

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