Zu erwartende Lernfreude und pädagogischer Mehrwert – das war auf den Punkt gebracht die Begründung der Jury, Martin Kohlbauer 2017 zum Sieger des Wettbewerbs für einen neuen Bildungscampus auf den Aspanggründen in Wien zu erklären. Dem Wiener Architekten war es mit seinem Entwurf gelungen, einen vielschichtigen und zugleich kompakten Baukörper zu schaffen, der sich dem Stadtraum öffnet, starke Raumwirkung erzielt, viel Licht ins Innere lässt und insgesamt Offenheit und Freundlichkeit vermittelt. Zwischen Landstraßer Gürtel im Süden, Rennweg im Norden und der Schnellbahntrasse mit dem Fasanviertel im Westen liegt das Stadtentwicklungsgebiet Eurogate, dessen westlichen Abschluss der Bildungscampus bildet. Errichtet wurde das nach dem 1943 in Auschwitz ermordeten Pädagogen Aron Menczer benannte Bildungsstandort, wie alle Bildungsbauten nach dem Campus plus Konzept der Stadt Wien, im PPP-Modell. Public-Private-Partnership bedeutet die Hereinnahme eines privaten Errichters als Partner der öffentlichen Hand, der die Ausführungsplanung und die gesamte Umsetzung übernimmt. In diesem Fall war es der Baukonzern Strabag, der die Ausführungs- und Generalplanung des Kohlbauer-Entwurfs nach erfolgter Einreichung an das Wiener Planungsbüro WGA übergab.
Im Baukastensystem
Der Ende August 2021 fertiggestellte Bildungscampus besteht aus drei Kleinkindergruppen, elf Kindergartengruppen, einer Vorschulklasse, einer 17-klassigen Ganztagsvolksschule, einer Musikschule, vier basalen Klassen für pflegeabhängige Kinder mit mehrfacher Behinderung und sieben sonderpädagogische Bildungsräume samt Therapieräumen. Das Gebäude setzt sich aus zwei Bauteilen zusammen, die vom Erd- bis zum dritten Obergeschoß miteinander verbunden sind. In einem lang gezogenen Gebäudekomplex entlang der Adolf-Blamauer-Gasse sind ein Turnsaal, Gymnastikbereiche und Räumlichkeiten der Musikschule sowie ein Veranstaltungsraum untergebracht. Der zweite, von der Grundstücksgrenze abgerückte punktförmige Gebäudeteil besteht aus sechs oberirdischen Geschoßen mit den restlichen Bildungsräumen. Alle Bildungsbereiche sind rund um die zentrale Erschließung angeordnet. Wie in einem Baukasten sind die Geschoße verschachtelt, versetzt und verdreht übereinander angeordnet, wodurch weit ausladende Terrassen unterschiedlicher Konfiguration entstehen. Zusätzlich sind die Terrassen durch Außentreppen miteinander verbunden. Das Dach ist teilweise begehbar.
Viel Natur
Einen wichtigen Teil der Gestaltung übernehmen die Freiflächen in diesem Projekt. Sie erstrecken sich Richtung Norden. Der vom Landschaftsarchitekturbüro 3:0 gestaltete Freiraum baut sich zwiebelschalenartig um das Hauptgebäude auf. Die umlaufend großzügige Terrassenzone im sonderpädagogischen Bereich wird von Blütenstauden und Kleinsträuchern eingefasst und dient als Puffer zum weitläufigeren Wiesenbereich. Die Begrünung geht im Norden der Freifläche in einen mit Bäumen bepflanzten Multifunktionsbereich über, der außerhalb des Campusbetriebs auch den Bewohnern der Umgebung und Besuchern zur Verfügung steht und über eine leicht abgesenkte Wiese in den Leon-Zelman-Park überführt. An der Grundstücksgrenze haben die Landschaftsarchitekten einen geschützten Naturraum eingefasst. Der im Süden gelegene Haupteingang zum Bildungscampus mit gepflastertem Vorplatz wird durch drei größere Pflanzinseln mit umlaufenden Sitzgelegenheiten strukturiert. Die Eingangshalle erstreckt sich über die gesamte Breite des Vorplatzes und verknüpft sämtliche Funktionsbereiche im Inneren des Campus miteinander. Die zweigeschoßige Stapelung der Terrassen sorgt für gute Belichtung der Multifunktionsbereiche.