Die Volksschule und Neue Mittelschule in Graz-Puntigam, dem am schnellsten wachsenden Bezirk der steirischen Hauptstadt, war dem steigenden Bedarf an zusätzlichen Klassen und gemeinschaftlichen Räumen längst nicht mehr gewachsen – ganze 20 Volksschulklassen und eine Ganztagesbetreuung für 500 Schüler wurden in einem ersten Erweiterungsschritt auf dem Grundstück benötigt. Die Stadtbaudirektion/Referat Hochbau der Stadt Graz lobte aus diesem Grund im Jahr 2019 einen offenen Gestaltungswettbewerb für eine Erweiterung der bestehenden Volks- und Neuen Mittelschule aus, der in zwei Bauabschnitten erfolgt. Im ersten Bauabschnitt ist der Neubau von 16 Volksschulklassen geplant. Im zweiten Abschnitt erfolgt die Erweiterung der Volksschule um vier weitere Klassen, also in Summe auf 20 Klassen, und der Mitteschule von acht auf zwölf Klassen.
Das Siegerprojekt von Franz & Sue Architekten schlug einen zwei- bis dreigeschoßigen nordsüdgestreckten und in den Obergeschoßen mäandrierenden Baukörper entlang der Nippelgasse vor. Der Baukörper reagiert gekonnt auf die städtebaulichen Gegebenheiten, indem er im Bereich des gegenüberliegenden Kindergartens frontseitig eingeschoßig wird und auch im Norden mit zwei Geschoßen den Baukörper abschließt. Dieser Neubau schafft einen einladenden Eingangsbereich und erzeugt durch ein kompaktes Gebäude mehr Platz für einen großen Schulgarten. So ist ein zeitgemäßer kooperativer Bildungscampus mit viel Raum für Bildung, Bewegung und Freizeit entstanden.
Viel Raum für viele Generationen
Bildungscampus Graz-Puntigam / Franz & Sue Architekten
Begegnungsraum
Der Ankunftsbereich der im September eröffneten Volksschule wurde an der Ecke Gradnerstraße/Nippelgasse zu einem repräsentativen Vorplatz ausgebaut, der zum verglasten Eingangsbereich der Schule führt, um der zukünftigen Neuen Mittelschule ein Gesicht zu geben. Stützen für die Auskragung in Ziegelbauweise schaffen eine mit Holz verkleidete überdachte Sitznische, in der die Kinder Platz nehmen können. Vom Vorplatz kommend gelangen die Schüler in die offene Zentralgarderobe,
einen zweigeschoßigen Luftraum, von dem man bis ans hintere Ende des Gebäudes sieht. Anschließend öffnet sich ein Raumverbund aus Aula und Speisesaal, der wiederum an den Schulhof anknüpft. Aula und Speisesaal sind nur durch einen mobilen Vorhang voneinander getrennt, bei Veranstaltungen kann auf diese Weise eine große, offene Halle mit Bühnensituationen entstehen. Auch der Turnsaal mit Fensterfronten ins Grüne ist in dieses Gefüge eingebettet, so können die Kinder beim Turnen ins Grüne schauen, ein Oberlicht sorgt für zusätzliches Tageslicht.
Flexibler Bildungsraum
Die insgesamt fünf Volksschulcluster mit je vier Klassen sind so angeordnet, dass jeweils ein direkter Zugang zu einem Außenbereich oder einer Terrasse besteht. Mittig sind die offenen Lernlandschaften angesiedelt, die wie Wohnzimmer konzipiert sind. Sie verbinden die Klassen als multifunktionale Gemeinschaftsbereiche und lassen viel Tageslicht ins gesamte Gebäude. Durch einen Vorhang kann auch dieser Bereich für die individuelle Nutzung angepasst werden, etwa für ruhige Lernphasen oder konzentrierte Gruppenarbeit. Zusätzlich gibt es einen Arbeitsraum für Kleingruppen und einen Raum für die Lehrkräfte. Die Klassen selbst halten sich in ihrer Materialität zurück. Lehmverputzte Wände treffen auf große Fensterfronten und Stoffpinnwände, ein buntes Band aus Pinnwandtafeln verleiht Farbigkeit.
Die Ganztagesschule besteht aus Räumen zum Werken, Musizieren, Bewegen und für weitere Freizeitbeschäftigungen. Um zusätzliche Möglichkeiten zum Spielen, für Rückzug, aber auch für Stauraum zu gewinnen, wurden in der Mitte der Ganztagesschule Holzboxen angeordnet.
Freiräume und nachhaltige Baustoffe
Die Zusammenlegung der bestehenden Innenhöfe der Mittelschule zu einem großen Freiraumvolumen bringt neben der Belichtungsverbesserung eine immense räumliche Bereicherung mit sich. Die entstandene Struktur überzeugt die Jury auch mit dem Ergänzungsvolumen zum Turnsaal hin. Auf den Terrassen, die jedem Cluster zugeordnet sind, befinden sich Sitztreppen für Unterricht im Freien, Rückzugsmöglichkeiten oder auch eine zum Spielturm umfunktionierte Fluchtstiege. Auf der knapp 1500 Quadratmeter großen Dachterrasse befindet sich ein intensiv begrünter Forschergarten mit Sträuchern, Hochbeeten und einem Insektenhotel.
Zur Ausfachung der Außenwände kamen 50 Zentimeter starke Hochlochziegel zum Einsatz, die innen mit Lehmputz und außen mit drei Zentimeter dicken Hanfplatten statt einer klassischen Styropor-Wärmedämmung bedeckt sind. Auf der der Putzfassade vorgehängten Holzfassade in den eingeschnittenen Höfen werden Kletterpflanzen wachsen.
Auch im Inneren wurde mit Lehmputz gearbeitet. Sonst dominiert innen der Werkstoff Holz, etwa die Holzlamellendecke aus Fichte, der Eichenparkett in den Obergeschoßen oder die Holzverkleidungen an den Turnsaalwänden. Als Kontrast dazu stehen die Stiegenhauskerne in Sichtbeton-Optik, die sich schlicht in das Raumgefüge einordnen.
Energie wird über Tiefbrunnen und eine Photovoltaikanlage gewonnen. Die automatisierte Fensterspaltlüftung, Grüninseln und zusätzliche Bäume sollen gegen Überhitzung wirken und helfen, Wasser zurückzuhalten. Unter dem Estrich wurden lehmummantelte Holzspäne sowie Holzweich-
faserplatten eingesetzt.
Die zweite Phase des Bildungscampus befindet sich bereits in Planung. Die bestehende Neue Mittelschule wird saniert und aufgestockt, es entstehen vier Cluster mit je drei Klassen. Im Hof wird noch eine Polytechnische Schule mit zwei Klassen mit Schwerpunkt Gastronomie und Pflege entstehen.
Projekt
Bildungscampus Puntigam, Gradnerstraße 24, 8055 Graz
Bauherr
GBG Gebäude- u. Baumanagement Graz GmbH für Stadt Graz – Abteilung für Bildung und Integration
Architektur
Franz und Sue ZT GmbH Architekten & Generalplaner, Wien
Landschaftsplanung
EGKK Landschaftsarchitektur, Wien
Tragwerksplanung
Petz ZT-GmbH, Wien
Bauphysik
Pilz und Partner Ziviltechniker GmbH, Graz
Elektroplanung
Ogrisek und Knopper GmbH Ingenieurbüro für Elektotechnik, Seiersberg
Haustechnik
TB Büro Lauer-Pelzl-Stadlhofer GmbH, Kindberg
Brandschutz
Norbert Rabl Ziviltechniker GmbH, Graz
Baumeister
Kollitsch Bau GmbH, Graz
Lüftung
Bauklimatik GmbH Technisches Ingenieurbüro, Wien
Projektdaten
Grundstücksfläche: 20.420 m²
Bebaute Fläche: 2126,3 m²
Nutzfläche: 5000 m²
Bruttogeschoßfläche: 5985,5 m²
Projektablauf
Wettbewerb 05–06/2019
Planungsbeginn 09/2019
Baubeginn 04/2021
Fertigstellung 09/2022
Materialien
Außenwände: Hochlochziegel PIA 50/20/23,8 Pichler
Innenwände: Trockenbau Knauf, Stahlbeton
Fassade: Kalkzementputz, Nurglasfassade GS-Frame
Capatect MK-Uniputz Histolith Lasur
Wärmedämmung: Hanf Massiv Capatect Putzträgerplatte
Fenster: Holz-Alu
Türen: Alu
Beleuchtungskörper: XAL
Aufzug: Schindler
Küche: myway
Wettbewerbsdokumentation
ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE 4/2019 (345)
Der Artikel als PDF
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