361 Bauwelt

Urbanes High­rise-Quartier für München

Visualisierungen: © Herzog & de Meuron
Hauptachse des neuen Münchner Quartiers, Sicht von Osten. Neben der Paketposthalle (rechts) sind zwei Türme geplant. Links südliche Hofbebauung.
Visualisierungen: © Herzog & de Meuron

Ganz nach dem Motto „München leuchtet“ hat die Unternehmensgruppe Büschl nach Stararchitekten für ihr Hochhausprojekt gesucht und diese in den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron gefunden, die durch die Allianz-Arena auch weniger architekturaffinen Menschen in München bekannt sind. Das Hochhaus-Projekt stieß dennoch nicht nur auf Zustimmung.

von: Susanne Karr

München ist nicht gerade für seine Dichte an Wolkenkratzern berühmt. Ein Grund dafür ist die Münchner Hochhausverordnung, die daran erinnert, dass keine Bebauung über 100 Meter vorgesehen ist – das entspricht der Höhe der Kirchtürme der Frauenkirche. Die Verordnung zur Höhenbegrenzung wurde 2004 aus einer Abstimmung der Wahlberechtigten abgeleitet, mit der es bis auf Weiteres gelang, höhere Bebauungen zu verhindern. Begründet wurde die Ablehnung von Hochhäusern immer wieder mit der Einhaltung eines stringenten Stadtbildes. Zwar gibt es hie und da urbane Landmarks wie das von Ingenhoven Overdiek & Partner entworfene 146 Meter hohe Uptown München vom Anfang des Jahrtausends. Ein echtes Highlight ist und bleibt auch der BMW-Vierzylinder von Karl Schwanzer aus den 70er-Jahren mit 101 Metern Höhe. Oder die 114 Meter hohe, eckenlose Zentrale der Hypo Vereinsbank aus den 60er-Jahren von Walther und Bea Betz. Das 2007 eröffnete Gebäude des Süddeutschen Verlags von GKK+Architekten musste umgeplant werden, es war mit einer ursprünglich geplanten Höhe von 146 Metern nicht akzeptabel. Und nun sollen gleich zwei 155 Meter hohe Hochhäuser in ein neues Stadtquartier gestellt werden.

Update zur Höhenbegrenzung
Im Münchner Stadtteil Neuhausen soll das großstädtische Flair der stets wachsenden Isarmetropole mit zwei Hochhäusern eine neue Nuance hinzugewinnen. Neben der denkmalgeschützten Paketposthalle aus den 60er-Jahren sind zwei Türme mit einer Höhe von 155 Metern geplant. Das „Bürger*innengutachten“, eine aktuelle Umfrage zum Projekt Paketposthalle mit Hochhäusern an der Friedensheimer Brücke, ergab ein anderes Bild, als die Hochhausverordnung vermuten ließe. Die 100 zufällig ausgewählten Münchnerinnen und Münchner aller Altersstufen finden mehrheitlich die Idee mit den Hochhaustürmen begrüßenswert. Im Gegenzug wünscht man sich dafür viel Grünraum und gute Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz. Die Befragten erwarten durch das neue Areal zudem mehr bezahlbaren Wohnraum. Das Bürgergutachten wurde im Februar veröffentlicht und bildet, so die Stadt München, einen wesentlichen Baustein für den weiteren Planungsprozess. Das Ergebnis zeigt wieder einmal, dass gesellschaftliche Ansichten häufig deutlich von den politischen abweichen und progressiver sind als deren Stellvertreter. Mittlerweile heißt es, der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung sei mit dem Projekt grundsätzlich einverstanden, doch bis zum voraussichtlichen Baubeginn dauere es noch zwei Jahre.

Masterplan
Ausgangspunkt des Masterplans von Herzog & de Meuron ist die alte Paketposthalle. Sie war bis Ende der 90er-­Jahre Postbahnhof und wurde danach als Briefverteilzentrum genutzt. Als im Jahr 2018 die Postnutzung nach Germering verlegt und das 87.000 Quadratmeter große Areal verkauft wurde, ergab sich eine neue Fragestellung. Die neuen Eigentümer, die Unternehmensgruppe Büschl, gab eine städtebauliche Studie in Auftrag. Das Architekturbüro Herzog & de Meuron erarbeitete mit einem interdisziplinären Planerteam ein Gesamtkonzept. Es soll Raum für 1100 Wohnungen, Büros mit 3000 Arbeitsplätzen, Einzelhandel, Hotels sowie kulturelle und soziale Einrichtungen geschaffen werden. In einem Dialogverfahren mit dem Auftraggeber und einem Begleitgremium aus Stadtratsfraktionen und Stadtverwaltung wurden Lösungen für ein urbanes Quartier unter Berücksichtigung von Landschaft, Infrastruktur und Siedlung entwickelt. Bearbeitungsschwerpunkte waren ­unter anderem öffentlicher Nahverkehr, Energieversorgung und Nachhaltigkeit, Bildung und Sport, Gesundheit und Umwelt, Naturschutz, Grünraumplanung, Belichtung und Besonnung, Brandschutz.
Motorisierter Individualverkehr wird unter dem Quartier hindurchgeführt, hier soll eine dreigeschoßige Tiefgarage gebaut werden. An der Oberfläche gibt es nur Fuß- und Radwege. Man hat die Vision einer vertikalen Stadt in der Stadt, die durch kleinteilige Erschließung über Gassen und Querpassagen eine „Stadt der kurzen Wege“ werden soll. In der Erdgeschoßzone bietet man Raum für Gewerbe, Gastronomie, Handel, außer­dem soziale und kulturelle Infrastruktur wie Kinder­tagesstätten oder Musikschulen. Umgebende, nicht mehr genutzte Bahnflächen sollen in eine größere Grünachse eingebunden werden und eine bisher fehlende Verbindung zum Nymphenburger Park ergänzen.

Öffentliche Räume
Erster Schritt im Masterplan ist die Erschließung der alten Paketposthalle. Das denkmalgeschützte Gebäude aus den späten 60er-Jahren mit einem gefalteten Tragwerk aus 1600 Betonelementen und mit 150 Metern Spannweite war bei Fertigstellung die international größte Halle aus Fertigteilen. Sie muss erhalten werden und soll in neuer Funktion das urbane Areal zum viel­fältig bespielbaren Veranstaltungsort machen. Aus­stellungen, Konzerte oder Marktplatz können integriert werden.
Ein neues Kreativquartier für den nördlichen Stadtteil Neuhausen-­Nymphenburg war schon lange vor den Hochhausplänen vom Stadtrat beschlossene Sache. Auch als neues Konzerthaus war die Halle schon im Gespräch gewesen.
Die Halle soll öffentlicher Freiraum für alle werden. Ähnlich wie bei der Markthalle von MVRDV in Rotterdam denkt man an ein integriertes kuratorisches Konzept mit Partizipation der Stadtbevölkerung. Damit soll eine neue kulturelle Destination, ein regional und überregional wichtiger Veranstaltungsort entstehen. Die beiden Türme führen das Nutzungskonzept der Halle fort. Sie werden seitens der Stadt München als „Er­weiterung des öffentlichen Raums in die Vertikale“ bezeich­net. Zwei außen liegende Schrägaufzüge verbinden Halle und Türme. Sie ermöglichen die Erschließung der oberen Stockwerke direkt aus dem öffent­lichen Raum.

Hochhäuser statt Versiegelung?
Die Fragestellung, wie gut sich Hochhausbau als Lösung für urbane Nachverdichtung eignet, eröffnet ein komplexes Themenfeld. „Ambivalent“ nennt es Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klima­gerechtes Bauen an der Technischen Universität München. „Hochhäuser sind ein probates Mittel zur Nachverdichtung. Der reduzierte Flächenbedarf und eine geringere Versiegelung sind zunächst positiv, sofern sich die Nachverdichtung auf ein ganzes Quartier bezieht und nicht auf ein singuläres Grundstück und die großen Untergeschoße die potenziell geringere Versiegelung nicht konterkarieren“, antwortet er. Man müsse selbstverständlich aber sämtliche Kosten mit einbeziehen, und diese steigen mit der Geschoßanzahl.
Was wäre dann eine optimale Höhe? „Grundsätzlich kann man sagen: Je höher ein Hochhaus, desto aufwendiger und raumeinnehmender wird die vertikale Erschließung wie Aufzüge, Schächte und so weiter, womit die Flächenausnutzung ineffizienter wird und der Materialeinsatz bezogen auf die Nettonutzfläche entsprechend steigt. Über 60 Metern Höhe verschärfen sich die Brandschutzanforderungen, weswegen 60 Meter – im Sinne einer nachhaltigen Verdichtung – ein vernünftiges Maß sind.“
Aus bauökologischer Perspektive wäre der Masterplan von Herzog & de Meuron also durchaus noch überarbeitungswürdig.

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