Immer top, niemals Flop
Es folgten die Renaissance und der Barock, wo man sich immer noch auf den Ziegel als Baumaterial verließ, jedoch versteckte man ihn mehr und mehr hinter prunkvollen Prachtfassaden. Doch der Erfolg des Ziegels war gesichert, denn Ereignisse wie der große Brand von London 1666 hatten tiefgreifende Veränderungen im Bauwesen zur Folge. Der Massivbau war nun das Maß aller Dinge und brachte auch einen leistbareren Preis mit sich. Doch auch in der Architektursprache wendete sich das Blatt wieder für den Ziegel: Die beginnende Industrialisierung ab 1800 ging mit einem neuen ästhetischen Empfinden einher. Ziegelfassaden in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland prägten verstärkt das Stadtbild, jeweils mit ihren eigenen Stilrichtungen und Eigenheiten. Um den Ziegel noch leistungsfähiger zu machen, wurden überlieferte Techniken weiter verbessert, der gebrannte Ton wurde schließlich zur erschwinglichen Massenware und beschwor die Neogotik herauf. Viele Kirchenbauten zeigen ihr schlichtes, aber unvergleichliches Ziegelkleid, Karl Friedrich Schinkel adelte den Ziegel als ästhetisches Material, dessen Format endlich auch aus einer Vielzahl von Varianten immer mehr vereinheitlicht wurde.
Von Schalen und Kuben
Im 20. Jahrhundert, jenes der eklektischen Vielfalt und Strömungen, bedienten sich die Architekten gerne des berechenbaren Baumaterials. Unbedingt zu nennen sind hier Frank Lloyd Wright, der die Fuge zum gestalterischen Element machte. Neue Maßstäbe setzte gleich zu Beginn die AEG-Turbinenhalle in Berlin, geplant und 1909 fertiggestellt von Architekt Peter Behrens. Dieser schuf eine neue Industriearchitektur, die sich nicht mehr hinter historisierenden Fassaden versteckte. Zwischen 1927 und 1930 schuf Mies van der Rohe für zwei kunstsinnige Seidenfabrikanten in Krefeld zwei benachbarte Villen – Haus Lange und Haus Esters. Sie stehen signifikant für die klassische Moderne, geprägt durch das Ineinanderschieben von Quadern und Flachdach, vor allem aber auch durch die dunkelroten Ziegel. Sicherlich eines der spannendsten Projekte sind die Escuelas Nacionales de Arte in Havanna. Mit dem Bau wurde der junge Ricardo Porro beauftragt – Fidel Castro wollte just auf dem Territorium der aristokratischen Golfspieler die beste Kunstschule der Welt errichten lassen. Porro holte sich Unterstützung von seinen italienischen Freunden Roberto Gottardi, ein Schüler von Carlo Scarpa, und Vittorio Garatti, um das Projekt, das eine Bildhauer-, eine Musik-, eine Ballett- und eine Theaterschule sowie eine Schule für modernen Tanz umfassen sollte, zu planen. Es waren einzelne Baukörper auf einem weitläufigen Gelände geplant, die alle die gleiche Formensprache verwendeten: organisch. Denn alle drei Architekten waren sich einig, dass eine Stringenz à la Mies van der Rohe nicht der „cubanidad“ entsprechen würde – so entstanden die berühmten Schalen aus Ziegeln.
Quer über den Globus
Ein anderes Beispiel verbindet die Vergangenheit mit der Zukunft: Hamburg leistete sich die Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron, die ihr gläsernes Gebäude auf einem Backsteinspeicher mitten im Hamburger Hafen aufsetzten – ein klares Bekenntnis zur lokalen Bautradition. Auch junge Bauwerke wie die San Bernardo Chapel in Argentinien von Nicolás Campodonico zeigen die Flexibilität trotz starrer Quaderform, die Erfahrung der Geschichte und die Inspiration des Neuen in sich vereinend. Was mit Ziegel in der Architektur alles möglich ist, zeigt nicht zuletzt auch der Wienerberger Brick Award. Zum Beispiel das Termitary House von Tropical Space in Vietnam, das die Eigenschaften des Ziegels für die klimatischen Verhältnisse nützt. Auch das Office Building in Lustenau von Baumschlager Eberle oder das Auditorium AZ in Kortrijk von Dehullu Architecten zeigen, wie fit der antike Ziegel auch heute fit für jede Aufgabe ist.