359 Bauwelt

Schöne Neue Werft

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Visualisierung der Vogelperspektive auf das neue Luxuswohngebiet „Neue Werft Korneuburg“ und die Slipanlage in der Werftmitte.
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Die Donauhalbinsel bei Korneuburg ist klassisches Überschwemmungsgebiet. Das Areal in unmittelbarer Nähe zu Stadt, Autobahn und Natura-2000-Gebiet Auwald soll nun nach langjährigen Diskussionen über Stadterweiterung zum Standort für Luxuswohnungen umfunktioniert werden.

von: Susanne Karr

Bereits 2016 hatte die Stadt Korneuburg das Konzept „Alte Werft. Neue Ideen“ ins Leben gerufen. Das Vorhaben, das alte Werftgelände in die bestehende Stadt zu integrieren und hier dringend benötigten Wohnraum zu errichten, ist seit Langem ein zentrales städtebauliches Thema. Ein breites Bürgerbeteiligungsverfahren zur Gestaltung der Werft wurde durchgeführt. Seitdem der Projektentwickler Signa im Jahr 2019 als neuer Eigentümer von 45 Prozent des Geländes an Bord ist, gewinnt das Projekt an Fahrt. Auf dem Gelände der stillgelegten Korneuburger Schiffswert soll urbaner Wohnraum geschaffen werden. Laut Presseaussendung sei „die Entwicklung des seit Beginn der 1990er-Jahre stillge­legten Werftgeländes eines der größten Immobilienprojekte in Niederösterreich des kommenden Jahrzehnts“. Die bisher präsentierten Ideen von Signa und Stadt Korneuburg entsprechen jedoch in keiner Weise dem, was im Bürgerbeteiligungsverfahren als wichtig erachtet wurde. Das Projekt erscheint schlicht überdimensioniert: auf dem 15 Hektar großen Areal soll Lebensraum für 1400 bis 1700 Menschen geschaffen werden. Signa rechnet mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund einer halben Milliarde Euro. Manche Kritiker setzen das formulierte Ziel „hochwertiger Lebensraum“ mit „hoch­preisig“ gleich.

Kooperatives Verfahren
Sechs international renommierte Architekturbüros wurden eingeladen, die nun seit September mittels eines kooperativen Verfahrens gemeinsame Pläne für die zukünftige Bebauung ausarbeiten. Die beauftragten Architekturbüros Delugan Meissl (DMAA), Berger + Parkkinen und Maurer & Partner aus Österreich, COBE und JAJA Architects aus Dänemark sowie Snøhetta aus Norwegen sollen die grundlegenden Richtlinien, oder, wie Signa es ausdrückt, die „Spielregeln“ zur Bebauung und Nutzung festlegen. Es soll auch ein gewisser Flächenanteil als allgemein zugänglicher, „naturnaher“ Park am Werftspitz nutzbar bleiben und nicht verbaut werden. Eine ähnliche Argumentation gab es etwa auch beim KaDeWe-Projekt in der Wiener Mariahilfer Straße. Dort verweist man auf die große Dachterrasse als zugänglicher Park für ein allgemeines Publikum. Im Fall Neue Werft fällt bei den kritischen Stimmen öfter der Begriff „Gated Community“. Der neue Stadtteil hat tatsächlich die Möglichkeit, sich mit eigenen Geschäften, Gastronomie, Büro- und Hotelflächen und entsprechendem Preis­niveau klar vom traditionellen Korneuburg abzukoppeln

Luxusgetto nahe Wien?
Befürchtungen, ein neuer Luxusstadtteil vor den Toren Wiens werde hier geschaffen, kamen bei der Präsentation des Projekts mehrfach zur Sprache. Zudem gibt es seit Langem die Forderung, in Korneuburg leistbaren Wohnraum zu entwickeln. Ein Gemeinderatsbeschluss verlangt, mindestens 20 Prozent für leistbares Wohnen zu reservieren. Die SPÖ macht ihre Zustimmung von der Erfüllung einer Aufstockung dieser 20 Prozent auf 35 Prozent abhängig. Wie effektiv diese Prozentzahlen sich auf den angespannten Wohnungsmarkt auswirken werden, bleibt abzuwarten. Die Preise steigen, die Wohnungen werden kleiner, und selbst Lagen in unmittelbarer Nähe zu den in die Jahre gekommenen Sozial­wohnungen neben der Justizvollzugsanstalt werden für die Errichtung von Luxuswohnungen genutzt. Signa-Holding-­Geschäftsführer Christoph Stadlhuber äußerte sich zur Kritik an den Werftplänen: „Im Rahmen des kooperativen Verfahrens sollen auch innovative Wohnkonzepte entwickelt werden, die den Bedürfnissen aller Generationen und verschiedenen Lebensmodellen Rechnung tragen.“

Keine Antworten
Anfragen an die Stadtgemeinde zum Projekt werden entweder direkt an den Projektentwickler weitergeleitet oder gar nicht beantwortet. Telefonische Nachfrage und ein persönlich adressiertes E-Mail an die ÖVP Korneuburg, die den Bürgermeister stellt, wurde nicht beantwortet, und die Zusage aus der Landesstelle in St. Pölten, man werde sich verlässlich zurückmelden, wurde bis Redaktionsschluss nicht umgesetzt.
Einzig von den Grünen in Korneuburg kam eine Reaktion. Stadträtin Elisabeth Kerschbaum verwies bezüglich der städtebaulichen Bedeutung des Projekts auf das bevorstehende Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, durch dessen Ergebnisse möglicherweise die Dimensionen verringert werden könnten. Die Sinnhaftigkeit, direkt neben der Donau, die besonders in den letzten Jahren extreme Pegelschwankungen aufgewiesen hatte, ein Stadtneubaugebiet zu errichten, wird seitens der Grünen als diskutabel eingeschätzt.

Dritte Autobahnabfahrt geplant
Ein weiterer kritischer Punkt ist das Mobilitätskonzept: Für die zahlreichen Neo-Korneuburger soll – in Kooperation mit der ASFINAG – eine eigene Autobahnausfahrt entstehen. Neben den Überlegungen, ob das etwas mit zukunftsorientierter Planung zu tun hat, stellt sich zudem die Frage: Wer soll die neue Autobahnausfahrt finanzieren? Nachdem man nicht davon ausgehen kann, dass diese Abfahrt rein von den zukünftigen Neue-Werft-Bewohnern benutzt werden wird, könnte eine Verlagerung der Finanzierung in die Allgemeinheit bevor­stehen. Die zusätzliche Autobahnabfahrt ist nach wie vor ein Wunsch von ÖVP/SPÖ/FPÖ – aber bisher kein fertig bewilligtes Projekt.

Message Control
Seitens der Auftraggeber herrscht momentan totale Message Control. Selbst all­gemeine Anfragen an die einzelnen Architekturbüros, etwa zum Aspekt der städtebaulichen Bedeutung des Projekts und zur geplanten Autobahnabfahrt, wurden abschlägig beantwortet, mit Bitte um Verständnis, weil man sich mitten im Verfahren befinde. Die Anfragen bezogen sich ausdrücklich nicht auf Vorabveröffentlichungen oder Detailinformationen, sondern auf den größeren Kontext. Seitens der Presseabteilung von Signa wurde diesbezüglich folgende E-Mail weitergeleitet: „Sehr geehrte PlanerInnen, da das Projekt Werft Korneuburg eine zunehmende Medienpräsenz aufweist, darf ich darauf hinweisen, dass jegliche Presseanfragen zum Projekt nicht zu kommentieren sind und an unseren Pressesprecher weiterzu­leiten sind.“
Als Reaktion auf gestiegenes Medieninteresse – und berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit – ist verordnetes Stillschweigen also das Mittel der Wahl. Eigentlich wäre gerade dieses steigende und berechtigte öffentliche Interesse Anlass für eine breitere Diskussion mit allen Beteiligten. 

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