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Saubere Luft in den Schulklassen

© Daniela Köppl
In Sporträumen ist schon bei geringer Belastung die Atemfrequenz gegenüber der Situation in Ruhe deutlich erhöht (Kinderbetreuungseinrichtung „Am Hartmayrgut“, Linz / Architektinnen Schremmer-Jell).
© Daniela Köppl

Der Arbeitskreis Innenraumluft des Bundesministeriums für Klimaschutz hat ein Positionspapier zur Lüftung von Schul- und Unterrichtsräumen in Zeiten von SARS-CoV-2 ausgearbeitet.

von: Peter Tappler, Hans-Peter Hutter, Hanns Michael Moshammer

SARS-CoV-2 stellt unsere Gesellschaft vor unerwartete und gänzlich neue logistische Herausforderungen. Mittlerweile wurde erkannt, dass vor allem in unzureichend belüfteten Innenräumen das Risiko einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 erhöht ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielen bei der Übertragung des Virus luftgetragene Aerosole, die sich wie ein Nebel im Raum ver­teilen können, eine Rolle. Neben der Beachtung der allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln und dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes kann das Infektionsrisiko durch konsequente Lüftung und sachgerechten Einsatz von raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) deutlich reduziert werden. Es ist allerdings nicht möglich, einen hundertprozentigen Schutz vor Infektionen mit SARS-CoV-2 in Schul- und Unterrichtsräumen zu erreichen.
Wenn sich das private und gesellschaft­liche Leben in der kälteren Jahreszeit vermehrt in Innenräume verlagert und der Schulbetrieb unter spezifischen Bedingungen zum regulären Unterricht in Klassenräumen zurückkehrt, ist daher angesichts der bestehenden SARS-CoV-2-Pandemie auf Übertragungsmöglichkeiten und die Vorsorge in Innenräumen verstärkt zu achten. In der kälteren Jahreszeit ist auch in Vortragsräumen in Universitäten, Hochschulen und privaten Bildungseinrichtungen vermehrt mit Vorlesungen, Versammlungen und Veranstaltungen zu rechnen, wenn diese nicht mehr im Freien stattfinden können.

Möglichst hohe Frischluftzufuhr
In Mitteleuropa spielt sich ein Großteil unseres Tagesablaufs, ca. 80 bis 90 Prozent, nicht im Freien, sondern in geschlossenen Räumen ab. Das Raumklima in Schul- und Unterrichtsräumen wird durch die Temperatur, relative Luftfeuchte, Luftbewegungen und den Luftwechsel beeinflusst, die von den Umgebungsbedingungen, wesentlich aber von der vorgesehenen Nutzung abhängen. Die Bewegung von luftgetragenen Partikeln in Schul- und Unterrichtsräumen wird durch Luftströmungen bestimmt, die durch Luftzufuhr und -verteilung beim Öffnen von Fenstern und Türen, über Klima- und Lüftungsanlagen, aber auch durch Tem­pe­ra­tur­unterschiede (Konvektion) entstehen. Durch Luftbewegungen können Partikel innerhalb kurzer Zeit über mehrere Meter transportiert und so im Innenraum verteilt werden. Im Sinne des Infektionsschutzes sollten daher Schul- und Unterrichtsräume mit einem möglichst hohen Luftaustausch und Frischluftanteil versorgt werden. Dies gilt gleichermaßen für freies Lüften über Fenster sowie beim Einsatz von RLT-Anlagen. Diese sollen frische Luft unabhängig von Nutzereinflüssen von außen den Räumen zuführen (Zuluft) und die „verbrauchte“ Luft (Abluft) aus den Räumen nach draußen befördern. RLT-Anlagen arbeiten ohne (Lüftungsanlagen) und mit zusätzlicher Klimatisierung wie Raumkühlung, Ent- und Befeuchtung (Klimaanlagen). Mitunter wird bei Klimaanlagen ein Teil der Abluft wieder der Zuluft beigemengt (meist ältere sogenannte „Umluftanlagen“). Eine möglichst hohe Frischluftzufuhr ist eine der wirksamsten Methoden, potenziell virushaltige Aerosole aus Innenräumen zu entfernen, Frisch­luftanlagen sind daher in Zeiten der Pandemie als Vorsorge gegen Infektionen anzusehen. Klimaanlagen, die mit einem hohen Umluftanteil betrieben werden, können unter bestimmten Umständen eventuell eine Gefahrenquelle darstellen. Bei einem hohen Umluftanteil in Klimaanlagen in Verbindung mit unzureichender Filterung kann es, wenn sich eine oder mehrere infizierte Personen, die Erreger ausscheiden, im Raum aufhalten, möglicherweise über die Zeit zu einer Anreicherung von infektiösen Aerosolen in der Luft kommen.

Unzureichende Außenluftzufuhr in Schulgebäuden
Der Arbeitskreis Innenraumluft spricht für die Lüftung in Schul- und Unterrichtsräumen, Kindergärten, sonstigen Bildungseinrichtungen und anderen verwandten Innenräumen in Zusammenhang mit SARS-CoV-2 folgende Empfehlungen aus, die sich am Stand der Technik orientieren und aus Messungen und praktischen Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten im Bereich Wohnungs- und Schullüftung zum Abtransport chemischer und biologischer Kontaminationen resultieren. Sie wurden an die Situation einer möglichen SARS-CoV-2-Belastung der Raumluft angepasst.
In zahlreichen Schulen in Österreich ist die Lüftungssituation aufgrund zu geringer zugeführter Außenluftvolumina als unzureichend anzusehen, dies unterstützt unter anderem in Zeiten einer Pandemie die Anreicherung von Viren, die Problematik betrifft aber auch normale Schnupfen- und Grippeviren vor allem in der kälteren Jahreszeit. Bei Klassen- bzw. Unterrichtsraumgrößen von ca. 60 bis 75 Kubikmetern und einer Anzahl von üblicherweise 20 bis 30 Personen pro Raum gilt grundsätzlich, dass zumindest in jeder Unterrichtspause bei weit geöffneten Fenstern gelüftet werden soll. Es sollte darauf geachtet werden, dass es durch die Lüftung nicht zu einer Verbreitung potenziell infektiöser Aerosole in andere Räume kommt. Ist z. B. wegen nicht vorhandener Fenster im Flur keine Querlüftung möglich, soll die Tür zum Flur geschlossen bleiben. Gekippte Fenster tragen signifikant zum Luftwechsel bei, können allerdings vor allem in dichter belegten Unterrichtsräumen alleine die notwendige Außenluftmenge nicht bereitstellen.
In Unterrichtsräumen sollte die Kohlenstoffdioxid (CO2)-Konzentration im Mittel höchstens 1000 ppm (0,1 Vol-Prozent) betragen, wie es die österreichische „Richt­linie zur Bewertung der Innenraumluft, Kohlenstoffdioxid als Lüftungsparameter“ des BMK empfiehlt. Die Einhaltung des Richtwerts erfordert eine entsprechend intensive Lüftung, die wesentlich zur Reduktion des SARS-CoV-2-Ansteckungs­risikos beiträgt. Die zu erwartende CO2-­Konzentration kann mittels des frei zu­gänglichen Programms CO2-SIM (erhältlich auf raumluft.org) abhängig von der jeweiligen Lüftungs- und Belegungssituation abgeschätzt werden.

Sind raumlufttechnische Anlagen in den Schulen oder anderen betroffenen Räumen schon vorhanden, sollen die nachfolgenden Empfehlungen umgesetzt werden:
• Umschalten von Klimaanlagen mit Umluft auf 100 Prozent Außenluft (sind in Schulen in der Regel nicht vorhanden)
• Belüftung der Unterrichtsräume mit Nenn-Volumenstrom über mindestens eine Stunde vor und während der Nutzungszeit
• Belüftung mit reduziertem Volumenstrom etwa ein bis zwei Stunden nach der Nutzungszeit
• Belüftung mit niedriger Lüftungsrate auch nachts und am Wochenende
• Während der Nutzung wenn möglich die regelmäßige Belüftung über Fenster sicherstellen

Lüftungsanlagen in Schulbauten erforderlich
Beim Neubau oder bei der Sanierung von Schulen ist zum Erreichen einer akzeptablen Raumluftqualität im Unterricht der Einbau von modernen, über CO2 bedarfsgeregelten Lüftungsanlagen erforderlich und wird auch vom Österreichischen Institut für Schul- und Sportstättenbau empfohlen. Durch die Zuluftführung muss gewährleistet werden, dass keine Zugerscheinungen im Raum auftreten. Generell sollte beim Einsatz von RLT-Anlagen in Schulen immer auch die Öffnung der Fenster möglich sein, schon um die Akzeptanz für eine mechanische Lüftung zu erhöhen (sogenannte „Hybridanlagen“). Ist in Schul- und Unterrichtsräumen aufgrund der baulichen und technischen Gegebenheiten eine effiziente Lüftung nicht möglich, ist die Nachrüstung mit geeigneten klassenweisen dezentralen Lüftungsgeräten zu empfehlen. Wenn Lüftungsanlagen korrekt dimensioniert und betrieben werden, bieten sie in Hinblick auf eine Risikominimierung wesentliche und klar nachvollziehbare Vorteile.

Turnsäle und Sporträume in Bildungseinrichtungen
Vor allem in Räumen, in denen Menschen gemeinsam sportlich aktiv sind, muss eine effektive Lüftung sichergestellt sein. Schon bei geringer Belastung ist die Atemfrequenz gegenüber der Situation in Ruhe deutlich erhöht. Die Menge an emittierten Partikeln über die Atmung steigt mit der körperlichen Aktivität. Ein hoher Luftwechsel muss in der Regel durch RLT-Anlagen sichergestellt werden. Durch geeignete Zuluftventile kann gewährleistet werden, dass keine Zugerscheinungen im Raum auftreten.

Klima- und Lüftungsanlagen
Manchmal hört und liest man, dass Lüftungs- und Klimaanlagen „Dreck- und Keim- schleudern“ seien. Diese Einschätzung entspricht schon seit Langem nicht mehr der Realität. Nur manch alte, schlecht gewartete Klimaanlage ist tatsächlich mit Vorsicht zu genießen. Gute Anlagen mit hochwertigen Filtern bewirken eine deutlich verbesserte Luftqualität – hier ist die Verringerung von Feinstaub und Allergenen aus dem Außenbereich und die verstärkte Abfuhr von CO2 und flüchtigen Substanzen wie Formaldehyd und Lösungsmitteln aus Innenraumquellen zu nennen. In Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie bewirken Frischluftanlagen aufgrund des kontinuierlichen Abtransports der Partikel eine deutliche Reduktion der Konzentration an Aerosolen und damit auch von Viren in der Raumluft. Normgerecht ausgeführte Lüftungs- und Klimaanlagen in Gebäuden sind heute so konzipiert, dass aufgrund der definierten Luftströme eine Verbreitung von Viren praktisch gänzlich ausgeschlossen werden kann. Bei Frischluftanlagen, wie sie in der Regel in Schulen eingesetzt werden, stammt die den Räumen zugeführte Luft ausschließlich aus dem Außenbereich und wird nicht mit Raumluft vermischt. Bei derartigen Anlagen sind daher keinerlei Bedenken angebracht. Nur bei Klimaanlagen, die vereinzelt in Bildungseinrichtungen eingesetzt wurden, gibt es mitunter einen Umluftanteil. In Zeiten einer Pandemie empfiehlt es sich daher, zur Reduzierung des Risikos einer Übertragung von SARS-CoV-2 in Räumen, in denen sich Personen aufhalten, möglichst nur praktisch virenfreie Zuluft von außen
(100 Prozent Frischluft) zuzuführen und einen allfälligen Umluftanteil zu reduzieren bzw. eine hochwertige Filtration mittels HEPA­-Filter oder anderen geeigneten Filter­technologien vorzusehen.

Höchstmöglicher Luftvolumenstrom
RLT-Anlagen müssen bei der Planung so ausgelegt sein, dass im Raum im Mittel über die Dauer einer Unterrichts- oder Vortragseinheit der Wert von 1000 ppm CO2 auch ohne Fensterlüftung eingehalten wird. RLT-Anlagen mit Befeuchtungsfunktion (z. B. Klimaanlagen) sollten so eingestellt werden, dass in den Räumen in der kalten Jahreszeit eine relative Luftfeuchte von etwa 40 Prozent erreicht wird – dies ist aus hygienischer Sicht (unabhängig von den Herausforderungen mit SARS-CoV-2) der Idealbereich für den Aufenthalt im Innenraum. Trockenere Luft (unter 20 bis 30 Prozent relative Feuchte) führt zu einem vermehrten Austrocknen der Atemwege. Zu feuchte Luft (oberhalb von 50 bis 55 Prozent in der kalten Jahreszeit) kann wiederum mittel- und langfristig das Schimmel­wachstum in Innenräumen begünstigen. Eine Möglichkeit, die Raumluftfeuchte in der kalten Jahreszeit bei Lüftungsanlagen ohne Befeuchtung nicht zu stark absinken zu lassen, ist der Einbau von speziellen Wärmetauschern mit Feuchterückgewinnung (Enthalpiewärmetauscher).
Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass zentrale RLT-Anlagen regelmäßig durch Fachpersonal gewartet und hinsichtlich ihrer korrekten Funktion überprüft werden. In Zeiten einer Pandemie sollten, abweichend vom Normalbetrieb, die Anlagen generell mit dem höchstmöglichen Luftvolumenstrom (Nennleistung) betrieben werden. Durch den Einbau von modernen hochwertigen, bedarfsgeregelten RLT-Anlagen werden gegenüber schlecht gelüfteten Gebäuden zwar mitunter nur wenig bis keine Heizkosten gespart und es entsteht ein zusätzlicher Aufwand bei Errichtung und Wartung. Entgegen weitläufiger Ansicht amortisieren sich gut geplante Anlagen jedoch nach kurzer Zeit allein durch Leistungssteigerungen bei den Schülern, zusätzlich sind als wesentliche Kosteneinsparungen die Infektionen bei Lehrern und Schülern (grippale Infekte, Influenza) zu nennen. Durch den Einbau moderner Lüftungsgeräte ist auch eine Nachtkühlung möglich, die in Zeiten zunehmender Erderwärmung immer wichtiger wird und energieintensive Kühlgeräte überflüssig macht.

Der Artikel als PDF

DI Peter Tappler, Assoz.-Prof. PD DI Dr. med. Hans-Peter Hutter und Doz. Dr. Hanns Michael Moshammer sind Mitglieder des Arbeitskreises Innenraumluft im Bundesministerium für Klimaschutz (BMK). Die Langfassung des Positionspapiers steht zum Download unter bmk.gv.at/ themen/klima_umwelt/luft/innenraum/arbeitskreis.html 


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