364 Projekte

Role Models für zukünftige Welten

© Hufton+Crow
Das im Juni eröffnete Creative Centre an der St John University im britischen York
© Hufton+Crow

Durch Materialwahl, langlebige Bauweise und zeitloses Design setzen Bildungsbauten Statements für ein Mindset, das größere Zusammenhänge schaffen will. Genau dies ist ja Zweck von Bildung – mehr Zusammenhänge zu begreifen und dieses Wissen – zum Nutzen aller – umzusetzen.

von: Susanne Karr

Schulen, Universitäten und Bibliotheken können durch ihr Erscheinungsbild die für eine Gesellschaft wichtigen Werte vermitteln. Heute sind das Themen wie Nachhaltigkeit, Wiederverwendbarkeit und lange Lebensdauer, denn das Bewusstsein der Ressourcenknappheit lässt sich nicht weiter verdrängen. Diese Anforderungen erfordern seitens der Architektur klare Strategien.

Begehbare Archive für das Wissen
Ein aktuelles Beispiel aus dem Wiener Universitätsbereich ist das neue Bücherdepot. Das Grazer Architekturbüro Pittino & Ortner gewann mit einem eleganten, reduzierten Entwurf den ersten Platz des EU-weiten Architekturwettbewerbs, bei dem es insgesamt 60 Einreichungen gab (Wettbewerbsdokumentation Seite 108). Der großteils als fensterloses Gebäude entwickelte Solitär konzentriert sämtliche Öffnungen und fast alle transparenten Bauteile auf den Eingangsbereich. Dies bewirkt „eine kontrapunktische Setzung von geschlossenen und durchsichtigen Elementen“, wie es die Architekten formulieren. Ein heller Eingangsbereich setzt sich vom dunkleren Baukörper ab. Im Inneren liegen zwei zentrale, brandschutztechnisch abgetrennte Stiegenkerne mit Lift und vorgeschalteter Schleuse. Das ermöglicht die geforderte raumklimatische Differenzierung. Gleichzeitig sind kurze Wege und Übersichtlichkeit gewährleistet. Die hohe Planungsqualität bietet Gelegenheit zu etwaigen logistischen Anpassungswünschen seitens der Mitarbeiter – beispielsweise eine mögliche Verlegung der Magazi­ne. Der gesamte Bau soll an ein Bücher­regal erinnern. Im Außenbereich ist eine bodengebundene Begrünung vorgesehen, die sich im Lauf der Zeit über die feinteilig gegliederte Fassadenstruktur aus Lochblech hinaufranken wird.
 

Klimafreundlicher Holzhybridbau
Der neue Bücherspeicher wird als klima­freundlicher Holzhybridbau ausgeführt. Darin entsteht Raum für 130.000 Laufmeter Bücher. Zum einen können auf einer Fläche von 12.000 Quadratmetern die Bestände der Hauptbibliothek der Universität Wien untergebracht werden. Hierfür sind 100.000 Laufmeter vorgesehen, in Bücher übersetzt sind das circa zwei Millionen Bücher. Die verbleibende Fläche teilen sich die Bibliotheken der Technischen Universität Wien, der Universität für angewandte Kunst Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien sowie der Geologischen Bundesanstalt. Mit der Auslagerung des Bücherspeichers an den Stadtrand gewinnen die Universitäten zentrale Räume an innenstädtischen Standorten, die bisher mit Bibliotheken besetzt waren. Diese werden nun für den Unterricht verfügbar.
Der Bauherr und Liegenschaftseigen­tümer, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), betont die Nachhaltigkeitsaspekte des Siegerprojekts als klimafreundlicher Funktionsbau mit architektonischem Anspruch. Wo es möglich ist, kommt Holz zum Einsatz. Zudem ist eine Baumallee geplant.

Abseits schnelllebiger Trends
Überzeugend wirkt auch die Energietechnik des Entwurfs. Hier ist die Nutzung von lokal vorhandenen, erneuerbaren Ressourcen vorgesehen. Das Konzept vereint Erd­wärmenutzung mit über das Gesamtjahr stabiler Bauteilaktivierung mit bedarfsgerechten Lüftungsstrategien. Integrierte Heiz- bzw. Kühlsegel an den Decken und eine Photovoltaikanlage am Dach (rund 300 kWp) sorgen für Ausgewogenheit und relative Unabhängigkeit. Adaptierbarkeit und mögliche Vergrößerung des Bücherdepots ist ein weiterer Punkt, der in der Ausschreibung gefordert wurde. Eine zukünftige Erweiterung des Gebäudes lässt sich aufgrund der Konstruktion, bei welcher der Stützenraster im Lagerbereich im gleichbleibenden Achsabstand organisiert ist, leicht durchführen. Dabei sollen die Arbeitsabläufe ungehindert weiterlaufen können. Funktion und Effizienz stehen im Mittelpunkt der Planung. Dazu passt der kubische Baukörper.

Lebenswerte Schule
Architekturerfahrungen beginnen schon im Kindesalter. Kindergärten und Volksschulen legen zunehmend Wert auf qualitativ hochwertige Räume und naturnahe Materialien. Neue Raumkonzepte sind geprägt von Offenheit und vielseitiger Nutzbarkeit. Das Leipziger Architekturbüro Schulz und Schulz, das in Wien das neue Gebäude der deutschen Botschaft errichtet, realisiert im Münchener Stadtteil Laim einen Ersatzneubau für eine Volksschule. Der Neubau wird nach dem Lerncluster-Prinzip des „Münchner Lernhauses“ geplant, das die besonderen räumlichen, pädagogischen und personalorganisatorischen Anforderungen von Schulen berücksichtigt. Die Ganztagsschule möchte Lern- und Lebensort sein und teilt sich in mehrere „Lernhäuser“ auf. Ein Lernhaus besteht aus 90 bis 100 Schülerinnen und Schülern aus vier Klassen und ihren Lehrkräften, Sozialpädagogen, Erziehern und pädagogischen Fachkräften. Zwei bis sechs Lernhäuser ergeben eine ganze Schule. Das Konzept verabschiedet sich vom klassischen Frontalunterricht und dem „Lernen im Gleichtakt“, schafft Freiräume für individuelle Entwicklung und ­betont ein intensiveres Miteinander. ­
„Von einer Buch- und Kreideschule zu einer Schule, in der moderne Medien wie auch unmittelbare Erfahrungen und Eigenaktivitäten der Schülerinnen und Schüler ihren gleichberechtigten Platz haben“, heißt es im Konzept.
Die Umsetzung des Bauprojekts wird Raum bieten für eine sechszügige Volksschule, eine Zweifachsporthalle und eine Schwimmhalle. Außerdem ist eine Tief­garage integriert. Die neue Schule ersetzt ein nicht renovierbares Altgebäude. Bereits Ende des Jahres soll das Schulgebäude fertiggestellt sein. Zu diesem Bauabschnitt gehört der Abbruch der Bestandssporthalle und die Errichtung des Schul­neubaus mit Tiefgarage.
Schule und die Sporthalle/Schwimmhalle werden in Stahlbetonbauweise ausgeführt. Eine Lochfassade mit kleinteiliger, homogener massiver Bekleidung umhüllt die Schule. Die aus Stahl konstruierten außen liegenden Fluchtbalkone und Flucht­treppen-
­häuser nehmen sich konstruktiv und gestalterisch zurück und verleihen dem Bau einen filigranen Touch. Im zweiten Bauabschnitt erfolgt der Abbruch der bestehenden Schulgebäude aus den 50er-Jahren. Dann werden Sporthalle und Schwimmhalle sowie Freianlagen bis Sommer 2025 errichtet. Die Belichtung und Belüftung der Sport­halle wird indirekt über das Dach und in Teilen über die Fassade erfolgen.
Der neue viergeschoßige Schulbau ist nach dem Mustergrundriss Lernhausmodul (Münchner Lernhaus) mit zentralem Eingangsbereich konzipiert. Geplant wurden kleine überschaubare Einheiten, die den sozialen, zeitlichen und räumlichen Alltag organisieren. Die einzelnen Cluster sind jeweils um einen zentralen Ort, der einem Marktplatz nachempfunden ist, gruppiert und grenzen an Mehrzweckflächen und Räume für Ganztagsbetreuung. So entsteht ein ganzheitlicher Lern- und Lebensort. Gemäß dem musischen Bildungsschwerpunkt der Schule gibt es ein eigenes Cluster für die Sing- und Musikschule und die künstlerische Schule der Phantasie.

Von Kunst begleitet
Im Erdgeschoß befinden sich Eingangsbereich, Räume für Verwaltung und angrenzend ein vielseitig verwendbarer Bereich für die Nutzung als Speisesaal, Mehrzwecksaal oder öffentliche Veranstaltungen. Das zentrale Treppenhaus mit künstlerisch gestalteter Haupttreppe öffnet sich ab dem ersten Obergeschoß zu einem Atrium, das den zentralen Punkt des Gebäudes bildet.
Das Projekt wird von einem Auftragswerk zu Kunst am Bau begleitet. Das Künstlerteam Hörner/Antlfinger aus Köln hat mit seinem zweiteiligen Entwurf, der im Außen- und Innenraum umgesetzt wird, den Wettbewerb gewonnen. Thematisch stehen die beiden Teile, „Termitenhügel“ und „Ameisengänge“ in engem Kontakt. Im Schulhof wird eine Skulptur in Form eines großen Termitenbaus errichtet. Im hohen, zentralen Treppenhaus entsteht eine luftig wirkende, elegante Aluskulptur, die eine Innenansicht von Ameisengängen mit ihren abzweigenden Höhlen darstellt. Ausgangspunkt für die Installation waren Überlegungen zu Wissensvermittlung und Kommunikation. Diese Themen sind in einer Schule zentral. Das Zeigen eines so organisierten Zusammenlebens wie das von Termiten oder Ameisen ist als Parallele zu menschlichen Organisationsformen zu verstehen.
Hörner/Antlfinger erzählen in ihren Kunstwerken von der gemeinsamen Geschichte von Menschen und Tieren, in der man wechselseitig voneinander lernen kann. Architektonisch und spielerisch erfährt man hier gleich von den zwei Formprinzipien Aufbauen und Abtragen. Der Termiten­hügel gleicht einem Turm, der Ameisenbau einem Bergwerk. So entsteht täglich für alle, die die Schule nutzen, ein optischer Zusammenhang von natürlicher Umgebung und gebauter Umwelt. Auch auf architektonischer Ebene vermag das Phänomen Termitenhügel beispielhaft und faszinierend zu wirken: Die im Kollektiv entstehenden, spektakulären Bauwerke sind temperaturausgleichend gebaut und können Jahrtausende überdauern.

Third Spaces
Um Kunst und Kreativität geht es auch im seit Juni eröffneten Creative Centre an der St John University im britischen York. Das neue Gebäude schafft Räume für Musik- und Informatikkurse, Performance, kreatives Schreiben und Medienproduktion.
Tate + Co Architects aus London haben die Planung auf drei Hauptkonzepte gegründet. Das erste davon bezieht sich auf nachvollziehbare Nachhaltigkeit, sowohl in Hinblick auf die eingesetzten Materialien und den in der Holzkonstruktion gebundenen Kohlenstoff als auch den Betrieb. Materialien wie die massive Holzrahmenstruktur, Brettschichtholz und Brettsperrholz (Cross laminated Timber, CLT) gehören zum „fabric-first“-Ansatz der Architekten. Mit dem Holz entsteht auch im Inneren ein angenehmes Klima. Große Öffnungen nach außen ermöglichen viel Licht- und Luftzufuhr. Wesentlicher Aspekt ist auch eine einfache Klimakontrolle. In Kooperation mit dem Atelier Ten, einem Beratungsstudio für Umweltdesign, wählte man eine Dreifachverglasung, die das Gebäude luftdicht macht, andererseits Fenster, die sich öffnen lassen. So entsteht eine Kombination aus mechanischer und natürlicher Belüftung mit einfacher Bedienbarkeit. Ein erklärtes Ziel der Architekten war, für den gesamten Bau eine BREEAM-Excellent-Bewertung in Bezug auf Nachhaltigkeit zu erreichen. Dafür wurden Passivhausprinzipien angewandt.
Das zweite Prinzip ist die Einbindung des Hauptatriums und die Verbindung aller Gebäudeelemente. Ausgangspunkt sind aktuelle Forschungen zu „third spaces“, also „dritten Räumen“, die für interdisziplinäre Zusammenarbeit nutzbar sind.
Drittens ist die Einbindung in den urbanen architektonischen Kontext wichtig. Das Kreativzentrum macht die Nähe zum Minster von York deutlich, denn es verbindet durch Sichtbezüge in Atrium und Konzert­saal die Universität mit der historischen Kathedra­le, dem „Minster“.
So entstanden 2000 Quadratmeter flexible Unterrichtsräume für gemeinschaftliches Arbeiten. Stützenfreie Böden schaffen genügend Freiraum für bedarfsorientierte dynamische Anpassungen an den Lehrplan – so lassen sich ebenso gut eher kleine Zellen konfigurieren, wie großzügige Räume geschaffen werden können. Ein Auditorium mit 200 Sitzplätzen – Herzstück des Kreativzentrums – ist in vorgefertigte Holzkonstruktionen gehüllt, die sich optisch an den schlanken gotischen Nischen des Yorker Minster orientieren. Hier finden Liveauftritte, Veranstaltungen und Konferenzen statt. Das Atrium fungiert als Ausstellungsraum und Theaterfoyer und enthält eine Treppe mit Sitzgelegenheiten. Es verbindet 550 Quadratmeter Gruppenlernbereiche und separate Räume mit dem Auditorium und den Lehrbereichen und dient dem Austausch und zufälligen Begegnungen von Studierenden unterschiedlicher Fächer. Das Dach aus Glas und Holzleimholz ermöglicht natürliche Belichtung.
Materialien und Bezugnahmen auf gebaute und natürliche Umgebung gliedern das Kreativzentrum in den historischen Kontext ein. Zum Gesamtentwurf gehört auch ein Masterplan für den Lord Mayor‘s Walk Campus. Das angrenzende Design Center ist in die Wegeführung integriert. 

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