Die resiliente Bauart
Was den Baustoff betrifft, schreibt Wessely zwar neutral aus, jedoch kommt vielfach die Massivholzbauweise zum Zug. Beim letzten Projekt mit einer weiten Auskragung sei die nachhaltigere Holzbauweise gegenüber mineralischen sogar um 20 Prozent billiger gekommen. „Mit dem schnellen Durchlauf sind die Baukosten außerdem stabil geblieben“, sagt Wessely über das Haus, das während eines Lockdowns errichtet wurde. Der Einsatz von Solarstrom mit Wärmepumpe ist für sie beim Einfamilienhaus eine optimale Kombination. Weil sie gute Erfahrungen in Sachen Überhitzung gemacht hat, greift die Architektin auch gerne auf Holzfaserdämmplatten zurück. In der Mehrzahl ihrer Planungen baut sie aber gar nicht neu, sondern saniert Einfamilienhäuser auf hohem Niveau. Die Bausubstanz kann in Funktion bleiben, was heutzutage auch bereits als ressourcenschonende Handlungsweise anerkannt ist.
Um gestrige Bauten zu erhalten und gleichzeitig heutigen Wohnkomfort einzubauen, jongliert Astrid Wessely mitunter mit dem Raumgefüge und arbeitet auch mit Anbauten. Umgeplant wurde von ihr zum Beispiel ein nicht mehr zeitgemäßer, zuvor einmal bereits sanierter Altbau. Weniger an Zwischenwänden war in ihrem Fall mehr und zudem wurde eine Loggia angebaut. Durch den gedeckten Außenbereich zum Garten war es dann sinnvoll, den Wohnbereich oben anzuordnen. Der Schlafbereich ging dafür kurzerhand nach unten. Für Baumeister, die ansonsten das Thema Einfamilienhaus bearbeiten, sei ein derart durchdachtes Sanieren und die mühevolle Baubegleitung eher nichts. Jene würden auch lieber mit dem Abriss auf Zusatzumsätze kommen.
Weiterbauen für den lokalen Bedarf
Trotz unzeitgemäßer Bauart nicht abgerissen wurde auch das Einfamilienhaus am Bergweg in Velden. Statt Familienwohnen gibt es nach dem Umbau hier drei Kleinwohnungen, die vermietet werden, und zwar in jeder Etage eine. „Das ehemalige Elternhaus gab die Vorbesitzerin nur schweren Herzens her, obwohl es schon eine Zeit leer gestanden hat“, erzählt Architekt Gerhard Kopeinig über den Entstehungsprozess. Für Kopeinig, der in Velden sein Architekturbüro ARCH+MORE betreibt, geht es hier nicht nur um eine Bauaufgabe, sondern auch um ein prototypisches Vorbild für ähnliche Fälle: „Ich will damit zeigen, wie Nachnutzungen dieses Gebäudetypus aussehen können.“ Durchdacht gesetzte Zubauten unterstützen die Neuplanung und das nunmehrig externe Erschließen ermöglicht separate Wohneinheiten. Die Hanglage begünstigte Letzteres, weil die Eingangsebenen praktisch von Natur aus wechseln. Eine kurze Stahlgitter-Außenstiege nach ganz oben machte das im Inneren ursprünglich vorhandene Stiegenhaus überflüssig. Im Gegenzug wurde die steile Innenstiege entfernt, was Platz brachte, um attraktive Raumverhältnisse zu schaffen. Der Windfang im Vorgarten wurde kurzerhand als Treppenabsatz mitbenutzt. Ein mit Fenstern großzügig versehener Zubau bringt dafür Licht in die Angelegenheit.
Darüber erfüllt jener wiederum als Terrasse einen doppelten Zweck. Dank des Balkons im obersten Stock hat in Summe jede Wohneinheit eine begehbare Freifläche. Der Garten ist gar nicht mehr abgezäunt, weil das neue Wohnen sich mit Exklusivität nicht verträgt. „Wir haben Aufsparrendämmung verwendet und gleichzeitig auf fertige Holzelemente verzichtet,“ berichtet Kopeinig über die thermische Ertüchtigung. Gezielt eingesetzt wurden Holzarten aus der Umgebung. „Die Hochlochziegel, welche man beim Bau des Hauses damals verwendet hat, sind ebenfalls vor Ort gebrannt worden“, weiß der Architekt und Bauherr in Personalunion zu berichten. Die Lärchenholzlattung an der Fassade ist sägerau geblieben. So wäre das Holz leistbarer und gelte zudem als ökologisch wertvoll. „Die Holzfassade vermittelt zur Umgebung am Waldrand“, stellt Gerhard Kopeinig fest. War das Haus vor dem Umbau beim Primärenergiebedarf nur letztklassig, so erfüllt es heutigen Niedrigenergiestandard. Gedämmt wurde hocheffizient mit Steinwolle, damit die Wandstärke nur in gemäßigter Form zunimmt. Mit einer Komfortlüftung und Wärmerückgewinnung für jede Wohneinheit sowie einer Wärmepumpe mit Tiefenbohrung verfügt das Haus über eine sparsame Art der Temperierung. Die Wohneinheiten werden warm vermietet und damit wurde ökologisches Sanieren beim Einfamilienhausbestand auch in ein Geschäftsmodell übergeführt.
Klassiker neu erfunden
Mit aktuell rückläufigen Neuflächenausweisungen ist vielerorts mit Restparzellen mit Sonderformen zu rechnen. Kreative Lösungen zum Platzsparen sind dann gefragt. Bei den knappen Abständen zum Nachbarn soll der Hochlochziegel inklusive Wärmedämmung und seinen sparsamen 32 Zentimetern Gesamtstärke jetzt punkten. Beim Produzenten Wienerberger verweist man aufs optimale Einsatzgebiet bei kleinen Bauparzellen, konkret beim ganzjährigen Wohnen im Kleingarten. Der beschriebene Hochlochziegel funktioniert mit integrierter Mineralwollfüllung und bietet einen einschaligen Wandaufbau. Ohne extra Dämmschicht gibt es einen um bis zu ein Viertel besseren Wärme-, aber auch Überhitzungsschutz als beim Ziegel ohne Füllung. In den Betondecken kann mit der Aktivierung zu Heiz-, aber auch zu Kühlzwecken mittlerweile auch ein nachhaltiger Mehrwert geschaffen werden. Auf den Einbau einer Klimaanlage, so der Verweis vom Informationszentrum Beton, könne damit ohne Komfortverlust verzichtet werden. Um Kühlflüssigkeiten allerdings auf erforderliche Niveaus zu heben, wird einmal mehr auf die Wärmepumpe verwiesen. Als zukunftsweisende Innovation beim Einfamilienhausbau gilt der Infraleichtbeton, eine Weiterentwicklung des Leichtbetons. Ursprünglich in der Schweiz entwickelt, hat dieser eine deutlich geringere Dichte als herkömmlicher Beton und kann damit auch ganz ohne Dämmschicht ausgeführt werden. Der deutsche Architekt Michael Thalmair hat zuletzt ein Einfamilienhaus im deutschen Pfaffenhofen entworfen, das mit fünfzig Zentimeter starken Betonwänden ohne Dämmschicht im Niedrigenergiestandard errichtet wurde. Selbst der Keller wurde nicht mit Schaumplatten versehen, sondern ist lediglich schwarz abgedichtet. Thalmair, der seit fünf Jahren selbst ein ähnliches Haus bewohnt, reklamiert für den noch jungen Baustoff Nachhaltigkeit: „Die Gesteinskörnung besteht ausschließlich aus Blähglas, das aus Recyclingglas hergestellt wurde.“ In Deutschland sei die Variante als Ortbeton auch schon überall einsetzbar.
Haus ohne Beton
Ausdrücklich nichts mit Beton zu tun hat das „Haus ohne Beton“ in Breitenfurt bei Wien, welches von Architekt Andi Breuss geplant wurde. Nachhaltigkeit geht hier vom Baustoff Holz in Kombination mit Lehmputz im Inneren aus. Demonstrativ gemieden wurden dafür alle synthetischen Baustoffe. Außerdem wurde das Haus im Eigenbau umgesetzt, was für sich auch als nachhaltig gelten kann. „Die Holzstoffe sind hier nicht verklebt, sondern nur mechanisch miteinander verbunden,“ spricht Breuss von einem gelungenen Beispiel für nachhaltiges Bauen und betont die naturgegebene Langlebigkeit der Holzfassade. Die wurde mit heimischem Holz aus Weißtanne ausgeführt. Der Lehm wäre ebenfalls bauphysikalisch voll wirksam. Im Bad gibt es zum Beispiel hinterlüftete Holzverkleidungen in Kombination mit Lehmputz dahinter. Der Feuchtigkeitsausgleich soll damit so gut funktionieren, dass auf die sonst übliche Abdichtung des Nassbereichs verzichtet werden konnte. Das Haus steht auf Schraubfundamenten, die in die Erde gedreht werden, die unten abschließende Holzplatte lagert auf Stahlstummeln. Rückbaufähigkeit ohne Rückstände sei bis zum Grund möglich. Das und die behagliche sowie garantiert gesunde Raumqualität war der Familie, die nun hier wohnt, ein Anliegen.
Nachhaltigkeit in Serie
Derartige bewusst nachhaltig getroffene Entscheidungen beim Planen kombiniert man bei Commod House mit Vorfertigung in Modulbauweise. Verschiedene Awards konnten fürs Design gewonnen werden, darunter der Iconic Award for innovative Architecture und der German Design Award. Konkurrenz macht man damit indirekt der Fertighausindustrie. Holzrahmenbau und Module werden bei Commod mit einem individuellen Planungsprozess kombiniert. Ohne Musterhaus und ohne Keller, aber mit flexiblen Bauvarianten und gemeinsamen Planungssitzungen präsentiert man sich den Käufern. Für die ist man auch als Generalunternehmer tätig und produzieren lässt die Grazer Firma im benachbarten Slowenien. „Bei der Produktion ist uns ganz wichtig, dass das Haus, aber auch die Arbeitsbedingungen nachhaltig sind“, sagt der Mitgründer der Firma Gerald Brencic. Kunden sollen das Gefühl haben, dass die Produktionsbedingungen gut sind, und man lädt daher auch zu einem Besuch der Fertigung ein. Geplant wird bei Commod in Eigenregie, aber auch mit externen Architekturpartnern, und man will das Netzwerk auch ausbauen. Die Wertigkeit der Gebäude kommt von ökologischen Baustoffen, wie zum Beispiel Thermofichtenholz an der Fassade, eingeblasener Zellulosedämmung oder den gleich mitgefertigten Holzfenstern mit Dreifachverglasung. Im Inneren wird mit Gipskartonplatten gearbeitet. Die Hersteller solcher Platten legen übrigens mit dem kundenseitig gestiegenen Bewusstsein auch Wert auf die Feststellung, dass das Rohmaterial ein hochnatürliches ist. Gips soll außerdem mit geringem Energieeinsatz endlos wiederverwendbar sein. Verschnitte werden heute schon rückgeführt. Dass Ressourcen nicht selbstverständlich sind, wird uns ja derzeit deutlich ins Bewusstsein gerufen.
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