359 Bauwelt

Raus aus den Gedankensilos

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Wie beim hisorischen Vorbild sollen beim Neuen Europäischen Bauhaus Wissensquellen aus unterschiedlichen Disziplinen und aus verschiedenen Orten zusammenfließen.
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Die anhaltende Krise in Umwelt- und Gesundheitsbelangen zeigt, wie wichtig das Vernetzen unterschiedlicher Wissensgebiete ist. Nicht nur, um kreatives Lösungspotenzial zu generieren, sondern auch, um einen größeren Horizont zu gewinnen. Genau dies möchte die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ erreichen.

von: Susanne Karr

Werte wie Nachhaltigkeit und Zirkularität von Produktionsprozessen, Ästhetik in der Umsetzung und Inklusion stehen im Vordergrund der aktuellen europäischen Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“, die Teil des „New Green Deal“ ist. Ein zusätzlicher Schwerpunkt liegt auf Leistbarkeit. Grüne, also umweltbewusste, und digitale Transformationen werden als notwendige Faktoren für eine zukunftsfähige Gesellschaft aufgezählt. Die Initiative, die bewusst an das revolutionäre Potenzial des ursprünglichen Bauhauses andocken will, nennt als seine wichtigste Motivation, verschiedene Realitäten miteinander in Bezug zu bringen. Wie beim Vorbild sollen Wissensquellen aus unterschiedlichen Disziplinen und aus verschiedenen Orten zusammenfließen. Die Trennung von Wissensgebieten, wie sie auch heute noch in großen Teilen der Gesellschaft und Bildungsinstitutionen gelebt wird, war bereits damals ein Punkt, den die Vertreterinnen und Vertreter des Bauhauses kritisierten und zu Fall bringen wollten.
Das Neue Europäische Bauhaus will nun die emanzipatorischen und innovativen Praktiken, die für den weltweiten Einfluss der Bauhausideen verantwortlich waren, aufgreifen und aufs Neue nutzbar machen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Ein wesentlicher Treiber von Neuerungen liegt stets im Vermögen, die Wahrnehmung über die eigene Nasenspitze hinaus auszudehnen. Kreativität zählt heute zu den wichtigsten Skills, und diese baut auf einer unabdingbaren Fähigkeit auf: Nichts geht ohne Vorstellungskraft. Gerade im Bereich der Architektur ist dieses planerisch-künstlerische Vermögen eine gefragte Ressource.
Dass der gesamte Bereich des Bauens und Entwerfens maßgeblichen Einfluss auf Zukunftsgestaltung hat, ist nichts Neues. Dass die beste Architektur immer aus einem Zusammenspiel von Wissen aus unterschiedlichsten Quellen entsteht, nicht allein aus Kalkül und technischen Daten, ebenso wenig. Daher ist es Zeit, der gesamten Branche mehr Verantwortung zu geben und abzuverlangen. „Letztlich geht es um mehr als nur um Gebäude – das Projekt soll der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Es wird dazu beitragen, das kulturelle Erbe Europas zu überdenken und seine Zukunft zu gestalten“, heißt es im Text.

Verstärkte Sichtbarkeit in der europäischen Öffentlichkeit
Die Bundeskammer der Ziviltechniker ist offizieller Partner der Initiative New European Bauhaus. Offizielle Partner verpflichten sich, als Förderer und wichtige Gesprächspartner der Initiative zu agieren. Zu den Partnern zählen Universitäten, Designagenturen, Architekturnetzwerke und Innovationszentren, „die als inspirierende Förderer der Debatten und Ideen fungieren, die durch die Bewegung entwickelt werden. Sie sollten auf ihrer Ebene über eine bedeutende Reichweite verfügen und als vertrauenswürdige Motivatoren fungieren.“ Als Partner ist man verpflichtet, die Initia­tive durch Zusammenführung einer Vielzahl von Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen zu unterstützen, um Ideen zur Identifizierung von inspirierenden Projekten, Praktiken oder Konzepten zu entwickeln. Das Projekt betont seinen partizipatorischen Anspruch und möchte ausdrücklich eine Bündelung des breit gefächerten Wissens europäischer Bürgerinnen und Bürger erreichen. Es ist grundlegend, „mit den Bürgern in Kontakt zu treten, um die Erwartungen an die qualitative Veränderung der Lebensräume und der damit verbundenen Lebensstile zu diskutieren und zu sammeln, konkrete Herausforderungen zu ermitteln, die im Rahmen dieser Initiative angegangen werden sollen, und die Ergebnisse über die Website des Neuen Europäischen Bau­hauses zu verbreiten.“

Aktive Bekämpfung des Klimawandels
Die Ziviltechnikerkammer hat ein entsprechendes Positionspapier verfasst, in dem sie die Ausgangslage und Ziele aus österreichischer Perspektive formuliert. Darin wird ein Wandel des Bausektors zu einem Sektor verlangt, „der sich den Prinzipien einer nachhaltigen und inklusiven Baukulturentwicklung verpflichtet und der auf der Basis optimierter Lebenszykluskosten und minimierten Ressourcenverbrauchs negative Umweltauswirkungen in allen Bereichen des Bauens reduziert“. Die Ziele gehen aber darüber hinaus. Schädliche Auswirkungen sollen nicht nur verhindert, sondern die Initiative soll „zu einem konstitutiven und unverzichtbaren Element bei der aktiven Bekämpfung des Klimawandels, der Schaffung neuer, gesunder Lebensräume und -formen und der Ermöglichung von Stoffkreisläufen zum Wohle heutiger und künftiger Generationen werden“.

Positionspapier
Im Positionspapier bekennt man sich klar zur Notwendigkeit überregionaler, europaweit geltender Vorgaben. Man hat sich auf folgende Fokuspunkte verständigt: Zur Verringerung von Bodenversiegelung, Flächennutzung und Flächennutzungsänderung werden Raumplanung und Raumordnungspolitik verstärkt zur Verantwortung gezogen. Qualitätsorientierte Nachnutzung von Brachflächen soll bundesweit in Städten und Dörfern gefördert werden und absoluten Vorrang vor der Erschließung unberührter Landschaften erhalten. Die Modernisierung bestehender städtischer und dörflicher Strukturen muss den bereits stattfindenden Klimawandel berücksichtigen und Entwicklungen in Richtung Post-Öl-Gesellschaft und Digitalisierung mitdenken.Die Erhaltung bzw. Revitalisierung bestehender Gebäude muss als wesentlicher Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und zum Erhalt des kulturellen Erbes begriffen werden. Besonderes Augenmerk liegt hier auf sozialem Wohnungsbau, Arbeitersiedlungen und öffentlichen Gebäuden.
Deutlich werden sollen wechselseitige Abhängigkeiten zwischen gebautem und sozialem Raum. Gleiches gilt für technische Infrastruktur und Grünraum. Diese Zusammenhänge sollen als eigene Planungsaufgabe ausgewiesen und durch gleichberechtigte Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche ausgearbeitet werden.
Als weiterer wichtiger Punkt wird eine stärkere Positionierung von nachhaltigem und integrativem Planen und Bauen bereits in den Ausbildungen genannt. Diese Ziele sollen auch durch offene Wettbewerbe, Preisverleihungen und Subventionen mehr Sichtbarkeit, gemäß ihrer Relevanz für zukunftsfähige Gestaltung, erhalten.

Stufenweise Umsetzung
Die Durchführung der New-European-Bauhaus-Initiative ist in drei Phasen geplant: Gestaltungs-, Realisierungs- und Verbreitungsphase. Sie müssen nicht zeitlich linear ablaufen. Zunächst lud die Europäische Kommission alle Europäer in der Gestaltungsphase dazu ein, bis Ende Juni 2021 Vorstellungen von einer nachhaltigen und inklusiven, ästhetisch, intellektuell und emotional ansprechenden Zukunft zu entwickeln. In zehn Kategorien wurden zudem bis Ende April 2021 die ersten New-European-Bauhaus-Awards ausgeschrieben, außerdem jeweils zwei parallele Wettbewerbsstränge.
Seit September läuft nun die Realisierungsphase mit schriftlicher Ausarbeitung der Neuen-Bauhaus-Strategie und Präsentation der Gewinner der Bauhaus Awards. Mit 2022 beginnt die Verbreitungsphase. Sie befasst sich mit den herausgebildeten Ideen und Maßnahmen sowie einer verstärkten öffentlichen Sichtbarkeit.  
Wie können nun Ziviltechniker die Ziele des Bauhauses umsetzen?, lautet die Fragestellung an Gestalter von Raum und Gesellschaft. Die Anfang Dezember durchgeführte Onlineveranstaltung „Städte- und Raumplanung im Kontext des Neuen Europäischen Bauhauses“, eine Zusammenarbeit der österreichischen Bundeskammer der Ziviltechniker, der Bayerischen Architektenkammer und der Europäischen Kommission, stellte aktuell zur Diskussion, wie der städtebauliche Wettbewerb zum zukunftsfähigen Instrument bei der Umsetzung der Bauhausziele werden kann.

Grenzüberschreitende Kreative
Ein Beispiel liefern die seit zwei Jahren stattfindenden, grenzüberschreitenden Wettbewerbe zwischen der österreichischen Ziviltechnikerkammer und der Bayerischen Architektenkammer. In der Online­veranstaltung „New European Bauhaus“ wurden die Vorteile einer solchen Kooperation formuliert, auch in Bezug auf internationale Wettbewerbsfähigkeit: „Der Architekturwettbewerb muss (wieder) als sinnvolles und notwendiges Instrument erkannt werden – auch im Sinne von Forschung und Entwicklung; zum Nutzen des Berufsstandes und im Interesse der Gesellschaft. Selbst wenn die Spielregeln in beiden Ländern teils unterschiedlich sind, teilen wir die gemeinsame Haltung, grenzüberschreitend und nach der Idee des New European Bauhaus Lebensräume innovativ gestalten zu wollen und die Kreativwirtschaft wieder positiv in den Vordergrund zu setzen.“ Die nächste Netzwerkveranstaltung ist für das Frühjahr 2022 geplant. Sie wird das Thema „Generalplanung – partnerschaftliche Verfahren“ fokussieren. 

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