Wettbewerblicher Dialog
Für den neuerlichen Wettbewerb wählte das Land Tirol mit dem „Wettbewerblichen Dialog“ eine neue Form des Vergabeverfahrens. Im Februar 2021 beauftragte man die ARGE Porr/Ortner als Totalunternehmer, im April 2021 wurde der Architekturwettbewerb europaweit ausgeschrieben. Die Kostenobergrenze war mit 135 Millionen Euro vorgegeben – eine Summe, die höher ist als jene in der befürchteten Kostenexplosion 2018. Das Bauvolumen ist geringer als in der vorigen Ausschreibung.
Es handelt sich beim wettbewerblichen Dialog um ein modifiziertes vergaberechtliches Verfahren. Es gab vorab eine Prä-Qualifikationsphase, die bestimmte Voraussetzungen für die Teilnahme verlangte. Nachgewiesen sein mussten etwa die Erfahrung mit gewissen Mindestvolumina im Hochschulbau, ausreichende Personalausstattung und finanzielle Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Architekturbüros.
30 Teilnehmende erfüllten diese Präqualifikation, aus diesen wurden 20 für die erste Stufe des Wettbewerbs ausgewählt.
Der nächste Schritt war ein großes öffentliches Hearing. Dieses bezog Auftraggeber, zukünftige Nutzer und Vertreter der Politik des Landes Tirol mit ein. Die Einreicher hatten die Möglichkeit, live einen Eindruck vom Standort zu gewinnen. Fragen etwa zu Bauplatz, Dichte und städtebaulicher Situation konnten direkt vor Ort diskutiert werden.
In der folgenden Dialogphase zwischen dem Bauherrn (Land Tirol) und 20 Einreichenden wurden die Pläne präziser. In dieser Phase waren Qualitätssicherung und Baumanagement eingebunden, die konkrete Details wie Gebäudehöhen oder städtebauliche Fragen in den Einreichungen überprüften und die Perspektive der Nutzererwartungen vertraten. Damit neben den hohen städtebaulichen und architektonischen Anforderungen ebenfalls die Kosten- und Terminvorgaben vom Siegerprojekt erfüllt werden, beauftragte das Land Tirol die Arge ILF + Nickl Architekten – PM1 für das Qualitäts- und Koordinationsmanagement. Während die Projektwerber ihre Pläne einreichten, wurde bereits überprüft, ob das Projekt machbar sein würde.
Daraus ergab sich aus Sicht des Bauherrn die Möglichkeit, etwaige Verbesserungen vor der Endeinreichung einzuarbeiten und fehlende Details weiterzuentwickeln. Aus einem Architektengremium wurden Architektenjuroren ausgewählt, die direkt mit den Teilnehmern sprachen. Die Pläne der jeweiligen Architekturbüros wurden vor der großen Jury präsentiert. Jeder hatte ungefähr zwei Stunden Zeit, seine Vorschläge vorzustellen und zu präzisieren. Die Auswahl der Beiträge für die nächste Stufe erfolgte durch diese Jury.
Totalunternehmerverfahren
Bereits zu Beginn wurde ein Konsortium vorbestellt, das Bauherrn und Nutzer (MCI) begleitet. Es achtete darauf, dass Vorgaben hinreichend erfüllt werden, etwa im technischen Bereich, wie bei Statik, Fassade, Versorgungsschächten. Diese Details werden erstaunlich oft übersehen – man denke etwa an das Desaster beim Berliner Flughafen. Projekte werden beim wettbewerblichen Dialog bereits auf viel tiefgehenderer Ebene ausgearbeitet.
Das Projekt von Henning Larsen zeichnete sich in mehrfacher Hinsicht aus. Andreas Altmann stimmt dem einstimmigen Jurybeschluss zu. „Das Team von Henning Larsen hat ein gleichermaßen überzeugendes wie ausgereiftes Projekt vorgelegt. Das Siegerprojekt besticht in städtebaulicher, architektonischer, technischer und auch in wirtschaftlicher Betrachtung. Henning Larsen Architekten sind für ihre hohe Qualität und Nutzerorientierung bekannt. Ich freue mich auf die Umsetzung.“
Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge
Auch die weiteren Einreichungen werden in einer Ausstellung im Landhaus Innsbruck zu sehen sein. An welche Büros die Jury den zweiten und dritten Platz vergeben hatte, wurde zu Redaktionsschluss seitens des Landes Tirol noch geheim gehalten. Auch auf der offiziellen Wettbewerbsseite der Ziviltechnikerkammer war der Wettbewerb bis dahin nicht gelistet. In mehreren Telefonaten wurde von offizieller Seite auf strenge kommunikative Regelungen verwiesen. Dieses Vorgehen sei dem Ablauf des Verfahrens geschuldet. Dass andererseits über den ersten Preisträger bereits ausgiebig in unterschiedlichen Medien berichtet wurde, passt nicht ganz in dieses Bild.
Die weiteren Preisträger
Wir konnten den zweiten und dritten Preisträger dennoch in Erfahrung bringen und stellen sie hier vor: Der Entwurf von HENN Architekten erhielt den zweiten Platz. Die Gebäudekanten orientieren sich an den vorhandenen Straßenfluchten. „Es entsteht eine klare Kubatur mit quadratischer Grundfläche, die sich städtebaulich selbstbewusst und gleichzeitig harmonisch in die Umgebung einfügt. Das einheitliche Stützenraster lässt sich deutlich im Erscheinungsbild der Fassade ablesen, wird jedoch durch Einschnitte und Rücksprünge im Baukörper aufgelockert“, heißt es im Projekttext des deutschen Büros. Von Südost nach Nordwest abgestuft, erhält das Gebäude eine außergewöhnliche Dachlandschaft mit verschiedenen begrünten Plateaus, die einen Bezug zum kaiserlichen Hofgarten herstellen. Sie wird ein integrativer Teil der Gebäudearchitektur und ist mit Lern- und Meeting-Lounges und langer Tafel ausgestattet, außerdem mit einem differenzierten Sport- und Erholungsangebot. „Ein zweigeschoßiger Fassadenrücksprung im Erdgeschoß markiert den Haupteingang und zieht die Fußgänger automatisch ins Zentrum des Gebäudes. Dort befindet sich das Herzstück des MCI – eine großzügige Townhall. Sie leitet das Tageslicht bis tief ins Gebäudeinnere.“ Zusätzlich sind vier weitere kleine Atrien für weitere natürliche Lichtzufuhr konzipiert.
Auf den dritten Platz wurde der Beitrag der Architekten-ARGE Patrick Fessler, Klammer*Zeleny und Erik Testor sowie der Freiraumplanung von Lindle+Bukor, alle aus Wien, gewählt. „Lustigerweise“, so Patrick Fessler, „waren wir schon beim ersten Wettbewerb vor fünf Jahren an zweiter Stelle. Damals hat der Entwurf (in Kooperation der ARGE Triendl und Fessler mit Peter Larcher und Michaela Mair) durch seine Schlichtheit gepunktet. Im Gegensatz dazu mutet der aktuelle Entwurf expressionistisch an.“ Für das neue Verfahren holte man sich die Büros Klammer*Zeleny und Erik Testor ins Boot und begann mit einem experimentelleren Zugang zum Bildungsthema – genau dem Gegenteil vom ersten Versuch. „Der jetzige Entwurf ist sternförmig, hat eine offene Mitte und Strahlen nach außen.“
Das Thema Nachhaltigkeit wurde bei diesem Entwurf sehr stark eingebunden – einerseits durch die Zusammenarbeit mit dem Wiener Landschaftsarchitekturbüro Lindle+Bukor, aber auch in der Innenraumkonzeption. Man setzte auf Veränderbarkeit der Räume, also die Adaptierfähigkeit von Schließung und Öffnung durch Wände. Mit einem skelettähnlichen Sockel ist das Gebäude bis zu einem gewissen Grad umbaubar. Schließlich soll es auch in 20 Jahren noch funktionieren und verwendbar sein. In der Wettbewerbsvorgabe war ökologisches Bauen für Fassade und Dachbegrünung verlangt, nicht aber das Hinzuziehen von Landschaftsarchitektur. Freiraumplanung war wichtig. Als Baumaterialien hatten die Planer Holz überlegt, dies aber wieder verworfen. Denn die Baufirma kommt aus dem Betonbau.
Kritik und Feedback
Es gibt unterschiedliche, teils sehr kritische Meinungen zur Vergabe von Bauprojekten an Totalunternehmer. Ein Punkt ist etwa, dass Privatwirtschaft dadurch mehr Macht als die öffentliche Hand erlangt und die Beauftragung der Subunternehmer nicht mehr dem öffentlichen Vergaberecht unterliegt (vergleiche Ausgabe 348 „Schwenk zum Totalunternehmer“). Christian Höller von der Kammer der Ziviltechniker hatte darin auch darauf hingewiesen, dass im Dialogverfahren nicht gewährleistet sei, dass das beste Projekt gewinnt. Ein Grund sei etwa, dass die Anonymität der Teilnehmer nur im ersten Schritt bestehe, danach bleibe sie nicht gewahrt. Das könne dazu führen, dass weniger bekannte und vor allem jüngere Büros schlechtere Chancen hätten – gerade aufgrund der verlangten Projekterfahrung, die als Qualifizierungspunkt gelte.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit, in diesem Fall einen Generalunternehmer zu beauftragen, beantworteten Patrick Fessler und Erik Testor positiv. Beide beurteilen die gesamte Abwicklung als konstruktiv und sinnvoll – die Gespräche hätten auf Augenhöhe stattgefunden, die Architektenjuroren sich als gute Berater erwiesen. Patrick Fessler merkt an, er habe diese Art von Auseinandersetzung bei den üblichen Verfahren vermisst, bei denen man allein gelassen werde und konkrete Hinweise fehlen. Erik Testor ergänzt: „Die ökonomischen Zwänge durch die Situation eines Totalunternehmerverfahrens wirkten auf die Entwurfsphase eher inspirierend als einengend. Auch die Konsulenten waren durch die Situation in den Wettbewerb sehr involviert.“
Natürlich besteht ein Wermutstropfen in der Tatsache, dass man als Architekt, anders als im üblichen Verfahren, bei dem man in allen Phasen bis zum Bau präsent bleibt, in der Ausführungsphase gar nicht mehr dabei ist. Man hat keinen Einfluss auf Ausschreibungen und darauf wer beauftragt wird. All das übernimmt der Generalunternehmer. Er begleitet das Bauwerk bis zur Schlüsselübergabe, während die Architekten aus der Ferne beobachten.
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