364 Naturstein

Naturstein und das Bauen im Bestand

© Markus Bredt, Berlin
Natursteine prägen alte und neue Häuserfronten am Alten Wall in Hamburg.
© Markus Bredt, Berlin

Im Bauwesen gewinnt der verantwortungsvolle Umgang mit endlichen Ressourcen immer mehr Gewicht. Das pauschale Prozedere aus Abreißen, Entsorgen und neu Bauen hat sich überlebt. An dessen Stelle tritt ein Ansatz, der auf nachhaltige, langlebige Baustoffe setzt und damit bestehende Substanz so gut als möglich für die zukünftige Nutzung ertüchtigt.

von: Richard Watzke

Ein „angemessenes Zeichen der Zeit“ nennt Susanne Wartzeck die Verwendung von nachhaltigen und wiederverwendbaren Werkstoffen. Im Blick hat die Präsidentin vom Bund Deutscher Architekten BDA dabei besonders auch Naturstein. Bereits 2019 vertrat der BDA in seinem Positionspapier „Das Haus der Erde“ einen Standpunkt, der aus damaliger Sicht für Auf­sehen sorgte, nämlich die Achtung des Bestandes. Wörtlich heißt es darin: „Bauen muss vermehrt ohne Neubau auskommen. Priorität kommt dem Erhalt und dem Weiterbauen des Bestehenden zu und nicht dessen leichtfertigem Abriss.“ Dass ausgerechnet die Architektenzunft den Erhalt des Bestandes dem Neubau vorzog, mutete damals vielen utopisch, unrealistisch und sogar geschäftsschädigend an. Heute, nur drei Jahre später, hat sich die Stimmung im Bauwesen dramatisch gewandelt. Die Vorteile von Umbau und Umnutzung bestehender Substanz anstelle von Abriss und Neubau sind allgemein anerkannt und vielfältig. Besonders deutlich zeigen dies drei im Rahmen des Deutschen Natursteinpreises 2022 mit Besonderen Anerkennungen prämierte Projekte aus Hamburg, Aachen und Stuttgart.

Alter Wall in Hamburg
Der Alte Wall 2–32 liegt prominent zwischen Rathaus und Alsterarkaden in der Hamburger Altstadt. Der von repräsentativen Geschäftshäusern aus der Zeit um 1900 geprägte Straßenzug wurde nach den Plänen vom Hamburger Büro gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner sorgsam saniert und zur Nutzung für Gewerbe, Museum und Büros weiterentwickelt. Bei der Sanierung und Neugestaltung des gesamten Projekts verbindet sich modernste Technik mit traditionellem Steinmetzhandwerk. Die historischen Natursteinfassaden wurden im Partikelstrahlverfahren gereinigt und mit Restauriermörtel ergänzt. Die Erdgeschoßebene wurde umgestaltet und geöffnet, die Natursteinbrüstungen wurden zurückgebaut, die Laibungen überarbeitet und an die neuen Schaufenster angepasst. Die Fassaden greifen den Rhythmus und die Gliederung der historischen Häuser an derselben Stelle auf und fügen sich mit ihrer zeitgemäßen Gestaltung harmonisch in den von Natursteinfassaden geprägten städtebaulichen Kontext. Anhand einer Musterfassade vor Ort wurden in Abstimmung mit dem Denkmalamt Steine, Ver­ankerungen sowie das Fugenbild geprüft und mit dem historischen Kontext in Einklang gebracht. Verschiedenste Natursteine wie grauer Sellenberger Muschelkalk, Cottaer Sandstein, Crailsheimer Muschelkalk und Fürstensteiner Granit an Sockel- und Fassadenflächen bilden ein harmo­nisches Gesamtbild.

Generalvikariat in Aachen
Bei der Fassadengestaltung und Umstrukturierung des Bischöflichen Generalvikariats im Aachener Domviertel galt es, die ursprüngliche Struktur des Ensembles aus den 1950er-Jahren lesbar zu erhalten und zugleich die bestehende Bausubstanz des Bürogebäudes energetisch auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen. Die neue Fassade ist eine klimatechnisch optimierte Hülle und vereint optisch die vormals eher als separate Kuben wahrgenommenen Gebäu­de. Zur Bekleidung der Baukörper und für die Pilaster sowie das Gebälk der Sockelzone setzte das Aachener Archi­tekturbüro kadawittfeldarchitektur sand­gestrahlten Jura-Kalkstein ein. In der Sockel­zone betont der hellbeige Naturstein die Vertikalen der zwei Geschoße übergreifenden Pilaster mit Gebälk. Die Brüstungsfelder aus beflammtem Nero Assoluto
sind leicht nach innen versetzt, die Natursteinelemente der Pilaster sind massiv ausgearbeitet und geschlossen verfugt. Die Brüstungsfelder hingegen präsentieren sich durch offene Fugen bewusst als füllende Natursteinplatten. Das Ergebnis ist ein großzügiger zweigeschoßiger Sockel, der die Gebäudeflügel zusammenführt und sich als Kolonnaden an den zuvor offenen Höfen fortsetzt.

Designhotel EmiLu in Stuttgart
Einst als klassischer Verwaltungsbau in den 1960er-Jahren errichtet, zeigt das zum Hotel umgenutzte Bauwerk in Stuttgart, welche Wirkung eine mit regionalem Naturstein ausgestattete Immobilie haben kann. Leitgedanke des Stuttgarter Architekturbüros blocher partners war eine Fassade, die den strukturellen Baubestand mit seiner künftigen Funktion als Designhotel in Einklang bringt und sich in ihren städtebaulichen Kontext einfügt. Die Planer strebten hierfür eine zurückhaltende, ruhige Fassadenordnung an. Der ursprüngliche Baukörper wurde um zwei zurückspingende, mit einer hellen Putzfassade verkleidete Geschoße nach oben erweitert. Die unteren Geschoße erhielten eine Natursteinfassade, deren Farbverlauf von unten nach oben heller wird und auf diese Weise dem Gebäude Leichtigkeit verleiht. Zur Verstärkung dieser Wirkung nimmt der Fugenanteil der Steinplatten von unten nach oben ab. Großen Wert legten die Architekten bei der Wahl der Steine auf Lokalität. Die Steine sollten möglichst lokalen Ursprungs sein und zugleich Bezug auf wichtige Stuttgarter Gebäude nehmen. Für die Geschoße zwei bis vier fiel die Wahl auf sandgestrahlten Dietfurter Travertin. Dieser harmoniert mit dem gegenüberliegenden Rathaus und ähnelt dem Cannstatter Travertin, der beispielsweise die Staatsgalerie bekleidet. Für das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß kam ebenfalls im Altmühltal gewonnener, etwas dunklerer Wachenzeller Dolomit zur Verwendung. Die feinkörnigen Steine verleihen der Fassade eine zeitlose Eleganz. 

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