Weiter geht es immer, aber nicht wie bisher. Recycling, Lifecycle-Analyse und andere Begriffe sind in aller Munde, doch was bewirken sie wirklich? So lange schnell und günstig die obersten Prämissen sind, wird sich wenig ändern, auch nicht beim Bauen als einem der Hauptverursacher in Sachen CO2-Ausstoß. Daran ändern auch internationale Mammutveranstaltungen wie jüngst die COP26 in Glasgow wenig. Ein Klimagipfel folgt dem nächsten, man ringt miteinander, möchte dem Planeten etwas Gutes tun, umweltschädliche Sackgassen verlassen, und am Ende hofft jeder Staatenlenker doch wieder auf eine florierende Volkswirtschaft. Florieren wird gleichgesetzt mit Wachstum, und das beruht (derzeit noch) auf Konsum. Wie ein Wandel ohne Mehrverbrauch konkret aussehen kann, zeigen Bauprojekte im privaten und öffentlichen Raum, bei denen Re-Use und Upcycling unspektakulär und ganz pragmatisch in die Tat umgesetzt wurden. Allen Beispielen gemein ist der Ansatz, bestehende Substanz so weit als möglich zu erhalten, ressourcenschonend zu ertüchtigen und die Gebrauchstauglichkeit zu gewähren. Dies geht einher mit der Erkenntnis, dass der beste Schutz eines Bauwerks seine fortlaufende Nutzung ist.
Sanieren statt entsorgen
Werden im Laufe dieser Nutzung Reparaturen, Ergänzungen oder Umgestaltungen erforderlich, erweisen sich Baukonstruktionen mit Werkstoffen wie Naturstein als besonders vorteilhaft. „Moderne“ Verbundwerkstoffe erlauben zwar einen raschen Baufortschritt, die daraus errichteten Bauwerke enthalten aber aus Sicht des Umweltschutzes problematische Materialkombinationen, die am Nutzungsende kostspielig getrennt werden müssen.
Anders Naturstein: Eine schadhafte Fassade oder ein Boden aus Naturstein werden nicht als Sondermüll entsorgt, sondern mit dem Originalmaterial saniert. Dabei werden die betroffenen Partien ausgebaut und durch neue Teile ersetzt. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Wiener Westbahnhof, dessen große Halle mit Adneter Marmor ausgestattet ist. Bei der Sanierung wurden die bestehenden Platten von den raumhohen Pfeilern abgenommen und saniert. Fehlerhafte Platten wurden durch neues Material aus den Original-Steinbrüchen in Adnet ergänzt.
Was sich in Innenräumen bewährt, funktioniert natürlich auch bei Fassadenbekleidungen im Außenbereich. Sofern es sich um ein regionales Gestein handelt, ist das Material in aller Regel nach wie vor verfügbar und schadhafte Partien können ausgewechselt oder ergänzt werden. Handelt es sich um massive Werkstücke, kommt die Methode der Vierung zum Einsatz. Dabei werden die betroffenen Partien steinmetzmäßig ausgearbeitet und durch ein passgenaues Stück Stein gefüllt. Abschließend gleichen die Steinmetze die neue Oberfläche handwerklich exakt an die Umgebung an. Der Hauptvorteil der Vierung ist der größtmögliche Erhalt der bestehenden Substanz. Für viele Bodenbeläge, beispielsweise in Fußgängerzonen, gilt dasselbe: Sollen schadhafte Platten ersetzt oder Arbeiten an der darunter liegenden Infrastruktur durchgeführt werden, entnimmt man die einzelnen Platten und vervollständigt den Bodenbelag nach Abschluss der Maßnahmen wieder mit den entnommenen oder mit neu angefertigten Platten aus Originalmaterial. Dieses Vorgehen erzeugt nur sehr wenig Abfall und verhindert zugleich Flickenteppiche, wie sie bei Reparaturarbeiten in Asphaltflächen entstehen.