358 Wettbewerbe realisiert Projekte

Keine Angst vor Widersprüchen

Alle Fotos: © Martin Steinkellner
Campusplatz, Blick auf Labor (links), Büro (Mitte), Bibliothek (rechts)
Alle Fotos: © Martin Steinkellner

Campus der Medizinischen Fakultät, Johannes Kepler Universitätsklinikum Linz / Lorenzateliers ZT GmbH

von: Roland Kanfer

Es war die Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz, die als erste österreichische Universität die Möglichkeit bot, das Stu­dium Humanmedizin mit einem Bachelor- und Masterdegree abzuschließen. Die rechtlichen Grundlagen dazu lieferte der österreichische Nationalrat im Jahr 2014 mit dem Beschluss, eine Medizinische Fakultät zu errichten.
Das Ziel des 2015 ausgelobten Architekturwettbewerbs lautete, auf dem Gelände des Allgemeinen Krankenhauses Linz ein Campusgebäude für die medizinische Fakultät zu gestalten, das Büro- und Laborräume, Hörsäle, eine Bibliothek, ein Café sowie neu zu gestaltende Übergänge zur Blutbank und zum Bau D des Allgemeinen Krankenhauses umfassen sollte. Die bereits bestehende Tiefgarage sollte überbaut und erweitert werden.  

Viermal Funktion, Gebäude, Architektur
Universität nicht als Instanz einer alleingültigen Wahrheit, sondern als diverser, offener Lernort, der keine Angst vor Widersprüchen hat – es ist ein philosophisches Statement, das der aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangene Architekt Peter Lorenz mit seinem Entwurf abgeben wollte. Nach dem Motto „Vier Funktionen – vier Gebäude – vier Architekturen“ ist es Lorenz gelungen, das große Bauvolumen in Form von vier Kuben und Baukörpern auf ein menschliches Maß zu reduzieren und um einen gemeinsamen Platz zu gruppieren. Ausdifferenziert sind die unterschiedlichen Nutzungen mithilfe verschiedener Materialien: Das zehngeschoßige Verwaltungsgebäude aus Beton und mit Stahlfassade ist der höchste der vier Baukörper. Das fünfgeschoßige Labor- und Forschungsgebäude mit – übrigens weltweit erster beweglicher – Keramikfassade ist konstruktiv ebenfalls aus Stahlbeton, der im Inneren als Sichbeton belassen wurde, und bietet als Ort für praxisorientiertes Lernen Lehr- und Forschungslabors sowie den Anatomie- und Mikroskopiesaal. Die Attraktion in diesem Trakt ist der medSPACE, eine neun Meter hohe und 125 Quadratmeter große Blackbox, die Hörsaal, Forum und Bühne zugleich ist und eine völlig neue Art des
Medizinunterrichts ermöglicht. Mittels der Technik „Cinematic Rendering“ werden fotorealistische Darstellungen der menschlichen Anatomie dreidimensional dargestellt. Auch Operationen können live übertragen werden.
Das dreigeschoßige Lehrgebäude – eine Stahlbeton-Glas-Konstruktion – beherbergt die acht Meter hohe Aula, die durch ihre großen Glasflächen die Grenze zwischen Innen- und Außenraum überwindet. Hier sind zwei Hörsäle mit stufenförmig angeordneten Sitzreihen untergebracht, deren Akustik mittels dreidimensionaler Holzelemente optimiert wurde. In den übrigen Stockwerken befinden sich 20 Seminarräume. Der niedrigste der vier Baukörper ist die Bibliothek mit dem Learning Center, ausgeführt als Holzkonstruktion mit einer silbrig-grauen Fassade aus Lärchenholz. Hier kann in Kleingruppen gelernt oder im Café mit großzügiger Terrasse kommuniziert werden. Die Bibliothek bietet Sitz- und Arbeitsplätze.

Architektonische Farben
Auch die den vier Baukörpern zugeordneten Farben sind nicht zufällig gewählt: Architekt Lorenz orientierte sich an der „Polychromie architecturale“ von Le Corbusier und kreierte eine Farbpalette aus zehn Farbtönen, die sich gegenseitig unterstützen und den Raum betonen: Ocker, Gelb, Rot und Mischungen daraus zur Darstellung der Schwerkraft und der Statik, außerdem Blau zur Betonung und Erweiterung des Raums sowie Schwarz, um Objekte in den Hintergrund zu versetzen. Die Rottöne finden sich an der Keramikfassade, die Blau­töne an der Stahlfassade, Ocker und Gelb an den Beton- und Holzbauten.
Diese Kombination aus unterschiedlich hohen Baukörpern, Farben und Materialien ergibt ein insgesamt harmonisches Gesamt­bild, das entfernt an den 2012 eröffneten Campus WU in Wien erinnert – mit dem Unterschied, dass es beim Med Campus ausschließlich gerade Linien gibt.
Die Farbakzente tauchen auch im Inneren auf: bei den blauen Teppichböden in den Büros, den roten Kautschukböden der Labors sowie den Stühlen, Akustikplatten, Beleuchtungs- und Akustikpads in der Bibliothek. Auffallend sind manche Mischungen zwischen warmen Farben und kalt wirkenden Materialien, wie bei den ver­schie­denen Rottönen der Bestuhlung in den Hörsälen und den roten und blauen Sitz- und Kojenbespannungen der Bibliothek mit Sichtbetondecke und -stützen.

Viel Beton
33 Unternehmen waren mit den Bauarbeiten für den Med Campus betraut. Verbaut wurden 26.000 Kubikmeter Beton und 6140 Tonnen Stahl, mehrere Hundert Kilometer Kabel wurden verlegt. 1800 Studenten sowie 250 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter werden in Zukunft auf dem Campus der Medizinischen Fakultät auf 12.500 Quadratmetern lernen, lehren und forschen. Auch an die Nahversorgung am Campus wurde gedacht: Im Erdgeschoß des Labor- und Forschungsgebäudes befindet sich ein Lebensmittelmarkt. 

Projekt
Campus der Medizinischen Fakultät, JKU Linz, Krankenhausstraße 40, 4040 Linz

Bauherr
Kepler Universitätsklinikum, Linz

Architektur/Generalplanung
Lorenzateliers ZT GmbH, Wien/Innsbruck, lorenzateliers.at

Fotos
Martin Steinkellner, martinsteinkellner.com, Lorenzateliers

Projektdaten
Grundstücksfläche: 15.800 m²
Bebaute Fläche: 4.640m² oberirdisch
Tiefgarage 14.210 m² (davon 5750 m² neu)
Nutzfläche: 12.500 m² oberirdisch
Bruttogeschoßfläche: 24.000 m² o.i.

Projektablauf
Wettbewerb 12/2015
Planungsbeginn 03/2016
Baubeginn 05/2018
Fertigstellung 06/2021

Materialien
Bauweise:
Lehre, Labor, Büro: Stahlbeton  
Bibliothek: Holzkonstruktion
Innenwände: Leichtbau
Fassade:
Bibliothek: Holz
Lehre: Beton
Labor: Keramik
Büro: Metall
Dämmung: Mineralwolle
Innenwände: Gipskarton, Stahlbeton
Lehre: mit Holzverkleidung

Wettbewerbsdokumentation: ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE 1/2016 (324)  

Der Artikel als PDF


© Bernard Hermant/Unsplash
Produkte & Innovationen

Nachhaltigkeit im Betonbau

Die beiden Geschäftsführer Michael Pauser und Christoph Ressler sind seit mehr als 15 Jahren für die BETONAKADEMIE-Seminare verantwortlich. Auch heuer…

Weiterlesen
© Electrolux Professional GmbH
Produkte & Innovationen

Sparsam und intuitiv bedienbar

Hauptakteure in der Küche der Volksschule Kleefeld in Bern sind die beiden Kombidämpfer SkyLine PremiumS von Electrolux Professional, einmal mit…

Weiterlesen

Seien Sie auf der Light + Building vom 3. bis 8. März 2024 in Frankfurt mit dabei!

Weiterlesen
Alle Fotos: © HOBA
Produkte & Innovationen

Moderner Brandschutz

Das Münchner Architekturbüro bundm* plante für den neuen Standort der Firma CADFEM einen achteckigen Baukörper, dessen Fassade, tragende Elemente…

Weiterlesen
© Rockwool
Produkte & Innovationen

Dübel ohne Teller

Röfix erweitert sein Sortiment um ein neuartiges Dübelsystem.

Weiterlesen
© Röfix AG
Produkte & Innovationen

Fit fürs Flachdach

Musste ein Flachdach konstruktiv bisher meist nur für gleichmäßige Lasten wie Schnee, Kies oder Begrünung ausgelegt sein, so muss es nun wegen der…

Weiterlesen
© Steinbacher Dämmstoffe

Viele Steinbacher Dämmstoffe basieren auf EPS (expandiertes Polystyrol bzw. Styropor). Das Material ist nicht nur praktisch, kostengünstig und…

Weiterlesen
Alle Fotos: © NOE

An der Universität Heidelberg entsteht das AudimaX mit zwei Hörsälen mit ca. 500 Plätzen, Büros, mehreren Seminar- und Lernräumen sowie einer…

Weiterlesen
Alle Illustrationen: © JOMA

Ein Plus an Nachhaltigkeit bei bewährter Dämmqualität: Das bietet die neue Dämmung GreenPor der JOMA Dämmstoffwerk GmbH aus Holzgünz - mit…

Weiterlesen
© Pretterhofer & Rieper

Mit Beginn des Studienjahres Anfang Oktober übernahmen Heidi Pretterhofer (*1965 in Graz) und Michael Rieper (*1970 in Brixen) die neu ge­schaffene…

Weiterlesen

Kennen Sie das ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE in der Printversion?

Bestellen Sie HIER ein Probeabonnement
3 Ausgaben um € 15,-

Übrigens: Mit einem Abo erhalten Sie Zugang zum Austria Kiosk. Mit Ihrer Abo-Nummer können Sie dort die Ausgaben als PDF gratis herunterladen! Hier finden Sie die Anleitung. In unserem Archiv finden Sie alle bisherigen Ausgaben zum digitalen Blättern weiterhin gratis!



Termine

Numen / For Use: Negative Space and Collapsing Room

Datum: 10. November 2023 bis 24. Februar 2024
Ort: aut. architektur und tirol im Adambräu, Lois Welzenbacher Platz 1, 6020 Innsbruck, Austria

Franco Clivio: Manifolds

Datum: 10. November 2023 bis 24. Februar 2024
Ort: aut. architektur und tirol im Adambräu, Lois Welzenbacher Platz 1, 6020 Innsbruck, Austria

R+T 2024

Datum: 19. Februar 2024 bis 23. Februar 2024
Ort: Stuttgart

Technologie und Gebäudetechnik im Einklang

Datum: 03. März 2024 bis 08. März 2024
Ort: Messe Frankfurt

Mehr Termine

Anmeldung zum Newsletter

Frau / Mrs  Herr / Mr