Es war die Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz, die als erste österreichische Universität die Möglichkeit bot, das Studium Humanmedizin mit einem Bachelor- und Masterdegree abzuschließen. Die rechtlichen Grundlagen dazu lieferte der österreichische Nationalrat im Jahr 2014 mit dem Beschluss, eine Medizinische Fakultät zu errichten.
Das Ziel des 2015 ausgelobten Architekturwettbewerbs lautete, auf dem Gelände des Allgemeinen Krankenhauses Linz ein Campusgebäude für die medizinische Fakultät zu gestalten, das Büro- und Laborräume, Hörsäle, eine Bibliothek, ein Café sowie neu zu gestaltende Übergänge zur Blutbank und zum Bau D des Allgemeinen Krankenhauses umfassen sollte. Die bereits bestehende Tiefgarage sollte überbaut und erweitert werden.
Viermal Funktion, Gebäude, Architektur
Universität nicht als Instanz einer alleingültigen Wahrheit, sondern als diverser, offener Lernort, der keine Angst vor Widersprüchen hat – es ist ein philosophisches Statement, das der aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangene Architekt Peter Lorenz mit seinem Entwurf abgeben wollte. Nach dem Motto „Vier Funktionen – vier Gebäude – vier Architekturen“ ist es Lorenz gelungen, das große Bauvolumen in Form von vier Kuben und Baukörpern auf ein menschliches Maß zu reduzieren und um einen gemeinsamen Platz zu gruppieren. Ausdifferenziert sind die unterschiedlichen Nutzungen mithilfe verschiedener Materialien: Das zehngeschoßige Verwaltungsgebäude aus Beton und mit Stahlfassade ist der höchste der vier Baukörper. Das fünfgeschoßige Labor- und Forschungsgebäude mit – übrigens weltweit erster beweglicher – Keramikfassade ist konstruktiv ebenfalls aus Stahlbeton, der im Inneren als Sichbeton belassen wurde, und bietet als Ort für praxisorientiertes Lernen Lehr- und Forschungslabors sowie den Anatomie- und Mikroskopiesaal. Die Attraktion in diesem Trakt ist der medSPACE, eine neun Meter hohe und 125 Quadratmeter große Blackbox, die Hörsaal, Forum und Bühne zugleich ist und eine völlig neue Art des
Medizinunterrichts ermöglicht. Mittels der Technik „Cinematic Rendering“ werden fotorealistische Darstellungen der menschlichen Anatomie dreidimensional dargestellt. Auch Operationen können live übertragen werden.
Das dreigeschoßige Lehrgebäude – eine Stahlbeton-Glas-Konstruktion – beherbergt die acht Meter hohe Aula, die durch ihre großen Glasflächen die Grenze zwischen Innen- und Außenraum überwindet. Hier sind zwei Hörsäle mit stufenförmig angeordneten Sitzreihen untergebracht, deren Akustik mittels dreidimensionaler Holzelemente optimiert wurde. In den übrigen Stockwerken befinden sich 20 Seminarräume. Der niedrigste der vier Baukörper ist die Bibliothek mit dem Learning Center, ausgeführt als Holzkonstruktion mit einer silbrig-grauen Fassade aus Lärchenholz. Hier kann in Kleingruppen gelernt oder im Café mit großzügiger Terrasse kommuniziert werden. Die Bibliothek bietet Sitz- und Arbeitsplätze.
Architektonische Farben
Auch die den vier Baukörpern zugeordneten Farben sind nicht zufällig gewählt: Architekt Lorenz orientierte sich an der „Polychromie architecturale“ von Le Corbusier und kreierte eine Farbpalette aus zehn Farbtönen, die sich gegenseitig unterstützen und den Raum betonen: Ocker, Gelb, Rot und Mischungen daraus zur Darstellung der Schwerkraft und der Statik, außerdem Blau zur Betonung und Erweiterung des Raums sowie Schwarz, um Objekte in den Hintergrund zu versetzen. Die Rottöne finden sich an der Keramikfassade, die Blautöne an der Stahlfassade, Ocker und Gelb an den Beton- und Holzbauten.
Diese Kombination aus unterschiedlich hohen Baukörpern, Farben und Materialien ergibt ein insgesamt harmonisches Gesamtbild, das entfernt an den 2012 eröffneten Campus WU in Wien erinnert – mit dem Unterschied, dass es beim Med Campus ausschließlich gerade Linien gibt.
Die Farbakzente tauchen auch im Inneren auf: bei den blauen Teppichböden in den Büros, den roten Kautschukböden der Labors sowie den Stühlen, Akustikplatten, Beleuchtungs- und Akustikpads in der Bibliothek. Auffallend sind manche Mischungen zwischen warmen Farben und kalt wirkenden Materialien, wie bei den verschiedenen Rottönen der Bestuhlung in den Hörsälen und den roten und blauen Sitz- und Kojenbespannungen der Bibliothek mit Sichtbetondecke und -stützen.
Viel Beton
33 Unternehmen waren mit den Bauarbeiten für den Med Campus betraut. Verbaut wurden 26.000 Kubikmeter Beton und 6140 Tonnen Stahl, mehrere Hundert Kilometer Kabel wurden verlegt. 1800 Studenten sowie 250 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter werden in Zukunft auf dem Campus der Medizinischen Fakultät auf 12.500 Quadratmetern lernen, lehren und forschen. Auch an die Nahversorgung am Campus wurde gedacht: Im Erdgeschoß des Labor- und Forschungsgebäudes befindet sich ein Lebensmittelmarkt.