345 Interior Design

Heute schon an morgen gedacht

© Louai Abdul Fattah
Im Stadtelefanten von Franz&Sue pulsiert das gemeinsame Leben in Schwarz – beruflich und privat.
© Louai Abdul Fattah

Anstatt nur ein Ort des Arbeitens zu sein, kann das Office heute die ursprünglichen Funktionen eines Marktplatzes übernehmen: reden, essen, erfahren, austauschen, miteinander sein.

von: Barbara Jahn

Die Zeiten, wo ein Büro einfach ein Büro war, sind vorbei. Ein Wohnzimmer ist schließlich auch nicht mehr nur zum Wohnen und eine Küche nur zum Kochen da. Die Kochrezepte dafür haben sich stark verändert und die weltweiten Entwicklungen stellen alle bisherigen Spielregeln infrage. Aber wie damit gut umgehen? Da müssen die Experten heran. Viele Faktoren müssen beachtetet werden: Dichte, Preis, aber auch Fläche und Design – allesamt müssen zukunftskompatibel sein und auch bleiben, wenn man nachhaltig denkt.

Offen bleiben
Für Immobilieninvestoren und -entwickler ist gerade Dichte eines der wichtigsten Themen. In Hinblick auf die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen rangiert dabei die Shared Community an oberster Stelle – die besten Beispiele dafür reichen etwa von den mietbaren E-Scootern bis hin zu WeWork, dem größten Shared-­Office-Anbieter der Welt in London. Aus der Erfahrung in der Vermietung einer Büro­fläche für beispielsweise zehn Jahre herrscht immer die unbekannte Größe, wie groß oder klein der Mieter in ein paar Jahren sein wird und ob die gemietete Fläche dann noch passt. Wie geht der Investor, der gerne baut und Architektur macht, damit um? Im Vergleich zu WeWork als positives Beispiel hat Wien nach Meinung von Christoph Stadlhuber von Signa Prime Selection noch viel Aufholbedarf: „Hierzulande wird vieles durch die Start-up-Brille betrachtet, ein wichtiges Element. Die meisten Nutzer der Shared Offices sind allerdings Unternehmen zwischen 700 und 1000 Mit­arbeitern.

Betrachtet man Kontinentaleuropa, so ist Berlin in dieser Hinsicht am weitesten entwickelt. Großkonzerne legen dort ihre Entwicklungsabteilungen aus ihren eigenen Standorten hinaus. Versicherungskonzerne lassen ihre Kreativagenturen in Shared ­Offices verlegen, wo sie vermischt mit Start­-ups neues Leben und Ideen schaffen können. Das ist ein völlig neuer Ansatz, zu arbeiten und anders als jener, den wir derzeit in unseren Köpfen haben. In der Realität haben die Architekten seit vielen Jahren schon das New Work vorgelegt, insbesondere so, wie es viele Architekturateliers selbst leben.“
 

Gemeinsam denken
Doch Wien kommt langsam in die Gänge. Ein Indikator dafür sind Projekte wie der Stadtelefant des Architekturbüros Franz&Sue, die über alle Grenzen hinweg im Sonnwendviertel eine neue Arbeitswelt erschaffen haben. Mit ihrem Architekturcluster am Helmut-Zilk-Park haben sie den EU-weit offenen zweistufigen Wettbewerb gewonnen und ein komplett neues Kapitel in Sachen Arbeiten in der Zukunft aufgeschlagen. Die Grundidee, die das gesamte Projekt begleitet, ist immer der gemeinschaftliche Gedanke. Zusammen mit Partnern aus der Architekturbranche – SOLID, PLOV, a-null Bausoftware, Hoyer Brandschutz etc. – wurde das sechsstöckige Gebäude realisiert. 2019 wurde das Haus besiedelt. Warum man so etwas macht? „Weil wir neugierig sind. Uns interessieren das kooperative Arbeiten auf Augenhöhe und der intensive Wissensaustausch, innerhalb unseres Teams, aber auch mit anderen. Aus dieser Überzeugung heraus gründeten wir vor zehn Jahren den Fight Club, ein monatlicher Jour fixe mit befreundeten Architekturbüros und Interessierten, der bis heute regelmäßig stattfindet. Dort diskutieren wir offen und intensiv über aktuelle Architektur­projekte und lernen stetig dazu. Anfang 2015 gingen wir mit der Fight-Club-­Kerngruppe in Klausur und kamen zu dem Schluss, ein gemeinsames Bürohaus zu bauen.“ Das Projekt ist dabei selbsterklärend: Nicht nur im Haus gibt es die Gemeinschaft, diese findet auch in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten statt. Ein offenes Haus für eine offene Gesellschaft, wo man in der Früh ankommt, einen Kaffee in der eigenen Kantine trinkt und gleichzeitig die News im Gespräch mit anderen Mietern aufschnappt. Ja, so könnte es gehen, und nicht nur wegen der verführerischen, vom klassischen Wiener Gründerzeithaus inspirierten 3,20 Meter Raumhöhe, die zwar ein Geschoß weniger bedeuten, jedoch viel mehr an Raumqualität bieten.

Profil zeigen
Ein wichtiger Punkt bleibt – und der könnte bei allem Mainstream übersehen werden – dass identitätsstiftende Merkmale erhalten bleiben. Wenn der Arbeitsplatz offener und flexibler wird, darf die Identität eines Unternehmens nicht auf der Strecke bleiben. Daher lautet ein Trend im Jahr 2019 und darüber hinaus: Corporate Architecture. Davon ist Sven Bietau, geschäftsführender Gesellschafter des Münchner Architektur- und Beratungsunternehmens CSMM überzeugt. „Weil die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Agilität firmen- und branchenübergreifend ähnlich sind, gleichen sich immer öfter Büro­konzepte und Arbeitswelten an. Firmen müssen daher verstärkt lernen, sich über ihre Einrichtung unterscheidbar zu machen.“ Besonders bei kreativen Köpfen muss das Arbeitsumfeld passen wie ein Maßanzug. Ihnen ein angenehmes und dennoch unternehmensspezifisches Arbeitsumfeld zu schaffen, obliegt den Architekten. Dabei kommt es auch auf Feinheiten der Corporate Identity an. „Es lohnt sich im Kampf um Talente mehr denn je, die eigenen Unternehmenswerte gestalterisch umzusetzen und dadurch für alle Beteiligten erlebbar zu machen“, sagt Bietau. Corporate Architecture als gebaute Identität eines Unternehmens.

Sich freispielen
Ordnerregale und Papierakten waren gestern. Der Platz wird in Speichermedien geschaffen und der frei gewordene physische Platz wird anderweitig genutzt. „Bei der Konzeption von Büros spielen in Zukunft einige Parameter eine entscheidende Rolle, die heute noch nicht berücksichtigt werden“, erklärt Bietau mit Blick auf Akustik, Internetbandbreite und Freiräume zum Erleben von virtueller Realität. Um das Potenzial voll ausschöpfen zu können, steht für Unternehmen anhaltend der notwendige Ausbau technischer Infrastruktur auf der Agenda. Weitere Beispiele sind unter anderem zusätzliche Räume für virtuelle Meetings und Workshops sowie die sogenannte Holoportation – eine Form der dreidimensionalen Objektpräsentation – oder die Integration von digitalen Sprachassistenzsystemen im Büro. Für Florian Danner, Partner von Moocon in Frankfurt, lautet die wichtigste Regel immer: „Nutzen vor Machbar­keit“. Sein Ziel ist es, mit dem Smart Office bessere Gebäude-, Nutzer- und Betriebs­daten zu lukrieren. „Während die Anbieterseite oftmals die nahezu un­endlichen Möglichkeiten aufzeigt, kann es sein, dass auf Anwenderseite nur der Mehrwert im Fokus steht. Hier gilt es insbesondere, vom geplanten Endergebnis auszugehen. Daraus werden dann die notwendigen Entscheidungen abgeleitet. Dann werden die Daten identifiziert, die ich wirklich brauche“, sagt er im Interview mit Ralf Ressmann. „Im letzten Schritt können dann die Sensoren, Schnittstellen und Analysen abgeleitet werden. Vielen Kunden hilft es erst mal, mit kleinen Lösungen zu beginnen, deren Mehrwert aufgrund der Dringlichkeit, mit der die dabei entstehenden Daten benötigt werden, leichter zu argumentieren ist.“

Teilen in jeder Hinsicht
Wissen wird geteilt. Erfahrung auch. Warum also nicht auch der zur Verfügung stehende Raum. Das ist da und dort schon gelebte Praxis. In den Signa-Projekten sind mindestens 10 bis 15 Prozent Anteil für gemischte Nutzung, um für einen potenziellen Büromieter die richtige Antwort zu haben auf die Frage nach der Entwicklung des Unternehmens, die vorab nicht absehbar ist: Expandiert der Mieter, kann er zur gemieteten Fläche in den Shared-Office-Bereich ausweichen und dort für definierte Zeiträume Flächen dazumieten. Daraus ergibt sich, dass nicht mehr Quadratmeter pro Arbeitnehmer gemietet werden, sondern Arbeitsplätze. Daraus resultiert wiederum ein ganz anderer Zugang zur Ökonomie und Flächenberechnung, weil mit dem Arbeitsplatz mietet man nicht nur Fläche, sondern gleichzeitig auch Besprechungsräume, soziale Infrastruktur, einen Steuerberater, der Vorträge halten kann, etc. – all das sind Angebote, die man als vorausdenkender Immobilieninvestor mitdenken sollte, wenn man Büroflächen vermietet. Für die Architektur bedeutet dies Flexibilität. Man kann nicht voraussehen, wie das Büro in einigen Jahren aussehen wird. Was weiters zu bedenken ist, sind globalisierte Unternehmen, eine internationale Arbeitswelt und multikulturelle Mitarbeiter: Mit dem gesellschaftlichen Wandel verändern sich stetig die Ansprüche einzelner Generationen an die Arbeit im Allgemeinen. Eine Besonderheit: In den nächsten Jahren werden erstmals bis zu fünf Generationen an einem Tisch sitzen. Trends wie Mixed-Used-Offices, bei denen es statt dem klassischen festen Schreibtischplatz ein vielfältiges Angebot an unterschiedlichen Arbeitsplatzsituationen gibt, aber auch die zunehmende Teamarbeit bringen die Generationen noch stärker, schneller und näher zusammen. „An­statt zu vereinheitlichen, sollten Unternehmen eher auf die Unterschiedlichkeiten der Angestellten verschiedener Generationen, Geschlechter, Kulturen und Arbeitsweisen eingehen und diese gewinnbringend für sich nutzen“, sagt Sven Bietau von CSMM.

Konkret konkurrieren Unternehmen künftig um Talente und hoch qualifizierte Fachkräfte aus den Generationen X, Y und Z, die wiederum mit den Babyboomern an einem Tisch sitzen. „Jede Generation bringt unterschiedliche Erwartungen an die Arbeit und die technische sowie gestalterische Ausstattung des Büros mit. Dabei berücksichtigt eine individuelle Planung auch die Selbstbestimmung der Angestellten und ihre freie Arbeitsplatzwahl – you work where you are.“ Darüber hinaus haben die Generationen unterschiedliche und teilweise diametrale Ansprüche in puncto Status, Flexibilität, Arbeitsmaterial oder Sinnhaftigkeit. „Die Hauptaufgabe wird weiterhin darin bestehen, die Kommunikation und Zusammenarbeit der Kollegen untereinander zu fördern und das Büro als einen Ort der Begegnung zu gestalten.“

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