Beim diesjährigen Kolloquium „Forschung & Entwicklung für Zement und Beton“ standen die fünf C im Zentrum. Trotz virtuellem Veranstaltungsformat lauschten knapp 300 Teilnehmer den Vorträgen. Die Erkenntnis, dass in allen umwelt- und klimaschutzrelevanten Bereichen der Wertschöpfungskette konsequent CO2 eingespart werden muss, zeigt sich in der aktuellen 5C-Strategie der Europäischen Zementindustrie. Die fünf C stehen für Clinker, Cement, Concrete, Construction und Carbonation. „Die bisherigen CO2-Minderungsmaßnahmen stoßen an ihre Grenzen und angesichts der auf uns zukommenden Klimaziele müssen wir gemeinsam entlang der gesamten Wertschöpfungskette – und sogar darüber hinaus – Innovationen anstoßen und mitgestalten“, ist Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, VÖZ, überzeugt. Joseph Kitzweger, LafargeHolcim, startete das Kolloquium mit „C2PAT“. Das sektorübergreifend geplante Projekt zielt auf eine Wertschöpfungskette für Kohlenstoff im industriellen Maßstab ab. „Es wird das erste Projekt seiner Art sein, mit dem der Kreislauf von Kohlenstoff vollständig geschlossen wird. In einem ersten Schritt werden 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Zementherstellung in einer Pilotanlage abgetrennt und mit grünem Wasserstoff in einen Rohstoff für die chemische Industrie transformiert, aus dem erneuerbarer Kunststoff hergestellt wird“, so Kitzweger.
Gemeinsame Anstrengungen
Die nationalen und internationalen Klimaziele erfordern, dass das Bauen bis 2050 klimaneutral erfolgen muss. Mit der sogenannten 5C-Strategie will die Europäische Zementvereinigung den Weg in die Klimaneutralität schaffen. Diverse Forschungsprojekte versprechen eine erfolgreiche Zukunft.
Sparsam vorgefertigt
Die Europäische Zementindustrie hat ihre CO2-Emissionen pro Tonne Zement von etwa 800 Kilogramm CO2 auf rund 650 Kilogramm CO2 reduziert. Bei etwa 400 bis 500 Kilogramm CO2 pro Tonne Zement ist man an der wesentlichen Hürde der prozessbezogenen Emissionen angelangt. Die CO2-Emissionen bis auf null zu reduzieren gelingt nur mit innovativen und bahnbrechenden Maßnahmen, sogenannten Breakthrough-Technologien.
Bei vorgefertigten Betonbauteilen wird aktuell ebenso eifrig an Potenzialen der CO2-Einsparung getüftelt. Die Emissionen der österreichischen Betonfertigteilindustrie betragen 536.000 Tonnen CO2. Bis zum Jahr 2030 will die Branche 40 Prozent der Emissionen einsparen. Im Jahr 2017 wurden in Österreich etwa 3,73 Millionen Tonnen vorgefertigte Betonbauteile produziert, knapp über 50 Prozent davon sind dem Hochbau zuzuordnen, der Rest entfällt auf den Tiefbau und sonstige Bauteile. Stefan Peters und David Gierlinger vom Institut für Tragwerksentwurf, TU Graz, analysierten in einer Studie Einsparungspotenziale entlang der Wertschöpfungskette: „Untersucht wurden beispielsweise Einsparungen durch Aussparungskörper in diversen Bauteilen, optimierte Betonrezepturen, Veränderungen im verwendeten Strom-Mix sowie Auswirkungen im Sektor Transport.“
Klimaschutz durch Betonstraßen
Neben dem Hochbau leisten auch Betonstraßen ihren Anteil zur CO2-Reduzierung. Neueste Forschungsergebnisse präsentierte Luc Rens, Direktor von der European Concrete Paving Association, Eupave. Eupave wurde Ende 2007 gegründet, hat 20 Mitglieder und 15 Partner und forciert Zement- und Betonanwendungen in der europäischen Verkehrsinfrastruktur. Schwerpunkte des Vereins sind die Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und nachhaltiges Bauen, CO2-Reduzierung und Kreislaufwirtschaft. Aber auch die viel diskutierte Reduzierung des Urban-Heat-Island-Effekts gelingt mit der hellen Oberfläche von Beton leichter.

© Grafik: Gierlinger/TU Graz
Energiespeicher Beton
Im Hochbau muss Beton kaum noch Überzeugungsarbeit leisten, die Vorzeigebeispiele, die Thomas Kreitmayer, Stadt Wien, MA 20 Energieplanung, präsentierte, sprechen für sich. „Durch intelligente Lösungen bietet sich in Städten das besondere Potenzial, mit wenigen Maßnahmen große Wirkung zu erzielen und damit das Energiesystem nachhaltig umzugestalten“, ist Kreitmayer überzeugt. So kann etwa das unstetige Aufkommen erneuerbarer Energien wie Photovoltaik oder Windstrom z. B. über Wärmepumpen (Power2heat) kurzfristig in Boilern, mittelfristig in Fern- und Nahwärmenetzen und langfristig in Erdsondenfeldern eingespeichert werden. „Ein großer Hebel ist jedoch die Raumwärme, die mehr als ein Drittel des Wiener Endenergiebedarfes ausmacht. Damit wird der Gebäudesektor zu einem zentralen Element der Dekarbonisierung des Energiesystems“, so Kreitmayer. Als ein entscheidender Erfolgsfaktor hat sich die thermische Aktivierung schwerer Gebäudemassen herausgestellt. Am Beispiel des sozialen Wohnbauprojekts MGG22 wird klar, dass Gebäude selbst zum Energiespeicher werden.
CO2 absorbieren
Zu den bereits genannten Vorteilen im „System Beton“ kommt noch die Nutzung von Beton als CO2-Senke. Bauingenieur Peter Lunk, Holcim Schweiz, ist davon überzeugt, dass der Weg erfolgsversprechend ist: CO2 kann in der Herstell-, Nutzungs- und Recyclingphase absorbiert werden. Aktuell werden auch Möglichkeiten einer künstlichen, beschleunigten Carbonatisierung erforscht. Lunk betont, dass bei allen Forschungsprojekten auch die CO2-Aufnahme von Beton (Carbonatisierung) bei der Bewertung berücksichtigt werden muss.
Den Knackpunkt spricht er unumwunden an: „Die Entsäuerung des Kalksteins verursacht rund zwei Drittel der gesamten CO2-Emissionen in der Zementproduktion. Die Carbonatisierung ist die Umkehr der Entsäuerung und ein natürlicher Prozess.“
Informationen
zement.at/kolloquium
baumassiv.at
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