367 Naturstein

Fein raus mit Naturstein

© Richard Watzke
Regionales Upcycling: Ufergestaltung in Larvik mit Tranchenresten aus der Werksteingewinnung.
© Richard Watzke

Zur Identität eines Ortes tragen Steine aus der Region wesentlich bei. Auch ökologisch und finanziell lohnt sich der Mehraufwand für Steine mit geringen Transportdistanzen schon nach wenigen Jahren Nutzungsdauer.

von: Richard Watzke

Von den Felsformationen Australiens bis zur Fjordlandschaft Norwegens – wo wir uns auch umsehen, war die Natur schon Millionen Jahre vor uns äußerst kreativ in der Landschaftsgestaltung. Als Grundbaustoff wählte sie natürlich das Dauerhafteste, was sie finden konnte: Naturstein. Abhängig von der mineralischen Zusammensetzung und der Entstehung der Steine sieht das Ergeb­nis völlig unterschiedlich aus. Eine Karstlandschaft mit ihren Graten und Klüften ist eine Ausprägung, die sanft geschwungenen Felsen entlang von Flüssen und Küsten eine andere. Dazwischen gibt es jede nur erdenkliche Struktur und Form zu bestaunen. Sogar strenge Geometrie gefiel Mutter Natur, wie die Basaltsäulen am Giant’s Causeway, dem Damm des Riesen an der nordirischen Küste, beweisen. Als Werkzeuge dienten Wind, Wasser, Hitze, Kälte und vor allem unendlich viel Zeit. Weil jeder Stein aufgrund seiner Zusammensetzung anders auf diese Umwelteinflüsse reagiert, gestaltete sich das Ergebnis so vielfältig. Jeder Ort wird von „seinem“ Stein geprägt. Das gilt für das Farbspektrum ebenso wie für das Format und die Textur. Während eine Region aus Granit an den bei der Verwitterung entstehenden, sogenannten Wollsackstrukturen erkennbar ist – man nehme das Beispiel Wald- und Mühlviertel –, brechen Felswände aus Dolomit oder aus Kalkstein wie am Salzburger Untersberg schroff ab. Gebiete mit Sedimenten wie Travertin, Sandstein oder Schiefer sind nicht selten flach und weit. Ein Beispiel direkt vor unserer Haustür ist auch die pannonische Tiefebene, in der ein Großteil der Steine für die Bauten der Ringstraße gewonnen wurde und heute noch Sankt Margarethener Kalksandstein gewonnen wird. Wer die Travertin-Steinbrüche zwischen Rom und Tivoli besucht, blickt ebenfalls in eine weite, ebene Landschaft.

Regional bauen hat Tradition
Weil Stein ein schwerer Baustoff ist, griff der Mensch seit jeher aus ganz rationalen Gründen am liebsten zu dem Stein, der ihm vor Ort zur Verfügung stand. In erster Linie sparte man auf diese Weise Transportkosten, zugleich prägte der regionale Werkstoff den Charakter der jeweiligen Kulturlandschaft. Im Waldviertel errichtete man Haussockel aus Schremser oder Hartberger Granit, in Salzburg bekleidete man Böden und Wände mit Adneter und Untersberger Marmor, in Klagenfurt zierte bunter Pörtschacher Marmor die herrschaftlichen Portale am Alten Platz. Auf diese Weise erhielt jeder Ort sein unverkennbares Gesicht. Rückblickend trugen die Steinmetze und Baumeister dadurch zu etwas bei, das man im Marketing als Corporate Identity bezeichnet. Wird ein heimischer Stein über viele Bauphasen hindurch als Bodenbelag, als Teil der Mauerschalen oder für Gewände genutzt, dann prägt er sich im Laufe der Zeit ins Bewusstsein der Bewohner und Besucher einer Stadt, einer Landschaft ein.
Die Konzentration auf einen bestimmten, regionalen Stein hatte neben dem geringen Transportaufwand noch andere Gründe. Jeder Naturstein erfordert seiner Zusammensetzung und Härte entsprechend spezielle Techniken bei der Gewinnung und Bearbeitung. Seit Einführung diamantbestückter Werkzeuge und leistungsfähiger Sägen lässt sich beinahe jeder Stein in eine beliebige Form bringen, ungeachtet der Herkunft und des Gesteinstyps. Die Massen der uniformen, polierten Einheitsfassaden der 80er- und 90er-Jahre mit Importsteinen aus der ganzen Welt sind sichtbares Zeugnis dafür. In den Jahrhunderten zuvor, als die Bearbeitung noch mit Handwerkzeugen bewältigt werden musste, nutzte man bei der Bearbeitung die jeweiligen Material­eigenschaften. Quarzhaltiger Granit verschleißt geschmiedetes Werkzeug schnell, lässt sich aber in bestimmten Richtungen ausgezeichnet spalten. Kalkstein und Marmor sind weniger abrasiv und können gut mit dem Spitzeisen und Stockhammer behauen werden, Sandsteine ebenso. Zur Entstehung eines Ortsbildes tragen neben der Farbe und Textur der Steine somit auch deren Oberflächenbearbeitungen bei. Und noch ein Faktor spielt eine im wahrsten Wortsinn gewichtige Rolle, nämlich die Petrografie. Je nach Mischung und Anordnung der Mineralien sind bestimmte Steine mehr auf Biegezug belastbar als andere. Das beeinflusst nicht nur die Dimensionen der Werkstücke, die sich daraus herstellen lassen, sondern auch die Art des Einbaus. Je dünner oder länger ein Bauteil aus Naturstein ist, desto mehr Kräfte muss der Untergrund abfangen. Ein kompakter Pflasterstein wie der berühmte Wiener Würfel ist außerordentlich stabil und auch unter höchster Belastung nahezu unzerstörbar. Eine großformatige Bodenplatte oder eine meterlange Massivstufe erfordern einen sorgfältig vorbereiteten Verlegegrund und vor allem eine Mindest­stärke, damit sie der Belastung standhalten. Nach den Erfahrungen früherer Bauphasen mit dünnen Platten beträgt die Mindeststärke bei modernen Bodenbelägen für Platzgestaltungen wie dem Stephansplatz oder dem Neuen Markt in Wien 14 Zenti­meter.

Ressourcen schonen
Der Einsatz von Material und Mitteln mag gegenüber konkurrierenden Baustoffen größer erscheinen, er rechnet sich aber für die Stadtverwaltung und die Bewohner, die die Errichtung über ihre Steuergelder finanzieren. Die regionalen Natursteine erzeugen beim Transport weniger CO2 als von Weitem herangeschaffte Steine, sie passen optisch perfekt ins gewachsene Ortsbild, ihre spezifischen technischen Eigenschaften unter Last sind seit Jahrhunderten bekannt und sie lassen sich jederzeit nachträglich ergänzen. Besonders die Re­parier­barkeit während der Nutzung und das problemlose Rückbauen danach zahlen sich aus. Ein gebrauchter Stein ist ein Naturbaustoff und wird nicht recycelt, sondern re-used. Ganz im Sinne des Urban Mining, also dem Verständnis der Stadt als Rohstoffdepot, sind die Steine im gebrauchten Zustand, mit all ihren Spuren der langen Nutzung, mindestens so begehrt wie neue Steine und problemlos sogar mehrfach wieder verwendbar. Wer kann wissen, ob nicht über den wiederverwerteten Pflasterstein, der einer privaten Einfahrt ein gediegenes Ambiente verleiht, dereinst des Kaisers Kutsche rollte?

Landesgartenschau Höxter 2023
Die Rückbesinnung auf die Qualitäten von Steinen aus der Region oder zumindest aus dem europäischen Kontext ist in vielen Projekten im öffentlichen Raum zu beobachten. Wenn im April 2023 die Tore der Landesgartenschau im nordrhein-westfälischen Höxter öffnen, haben Natursteine einen wesentlichen Anteil an der Gesamtwirkung der insgesamt 394.000 Quadratmeter umfassenden Freianlagen, Wege und Plätze. Im Rahmen des im Herbst 2019 ausgelobten Wettbewerbs erhielt das Berliner Büro Franz Reschke Landschaftsarchitektur den ersten Preis für alle Realisierungsteile. Während der Bauzeit von Herbst 2021 bis April 2023 entstanden eigenständige Freiräume für die Stadtbevölkerung und die Gäste der Stadt Höxter: Von der Umgestaltung der historischen Wallanlage über die Neugestaltung der Weserpromenade bis zu neuen Parks auf der Weserscholle, dem Archäologiepark und dem neu gestalteten Remtergarten im direkten Umfeld des Welt­erbes Karolingisches Westwerk in Corvey. Diese werden über die Landesgartenschau hinaus attraktive öffentliche Freiräume darstellen.
Seitens der Stadt Höxter wurde den Planern zufolge sehr auf die Wertigkeit, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit der Materialien geachtet. Weil Höxter ein durch den Wesersandstein geprägtes Stadtbild besitzt, war den Planern schnell klar, dass es nicht irgendein Naturstein sein durfte. Aus diesem Grund wurde Sandstein in verschiedenen Nuancen zum Leitmaterial. Dazu wurden mit dem Weserbergland, Obernkirchen, Dresden und Thüringen vier bekannte Sandsteinregionen Deutschlands als Lieferquellen ausgewählt. Gebrauchtes Steinmaterial aus portugiesischem Granit ergänzt die Anlagen in Form von massiven Stufen und Einfassungen. 

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