Auch in der Bundeshauptstadt Wien wird es in Zukunft mehr grüne Fassaden geben. Der im Vorjahr gefällte Gemeinderatsbeschluss sieht die Verpflichtung zur Begrünung von Fassaden bei Neubauten vor. Und das sowohl im Wohngebiet als auch im Industriegebiet bei Gebäuden ab einer Höhe von 7,1 Metern und bis zu 21 Metern.
Zwar zählt Wien bereits zu einer der grünsten Städte der Welt, doch im innerstädtischen Bereich, wie beispielsweise in Wien-Neubau, liegt der Grünanteil nur bei 3,6 Prozent. Ein optimaler Platz für ein Forscherteam, geleitet von der TU Wien-Ökologische Bautechnologie in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur, der Firma ATB-Becker Green Technologies und Kräftner Landschaftsarchitektur. Im Rahmen eines von „Stadt der Zukunft“ (BMK/FFG) geförderten und durch die BIG unterstützten Forschungsprojektes haben sie die Schule GRG 7 in der Kandlgasse in ein begrüntes Demoprojekt verwandelt.
Projekt GrünPlusSchule
Der Altbau mit seinem Flachdach in einer großteils versiegelten Umgebung eignet sich bestens, um verschiedenste Versuchsflächen zu errichten und diese mit Messtechnik auszustatten. Noch bevor das Dach, die Fassade, die Klassen und das Foyer bepflanzt wurden, wurden mittels Sensoren der TU Wien Messwerte aufgenommen. Diese verglichen die Forscher dann mit den Werten der begrünten Umbauten. Das Ergebnis macht einen deutlichen Unterschied ersichtlich: Das Mikroklima kann durch die Pflanzen positiv verändert werden, was sich in den Temperaturen niederschlägt – der begrünte Innenhof ist jetzt beispielsweise um ca. vier Grad kühler als zuvor. Die Begrünungssysteme bringen aber auch eine zusätzliche Dämmung und regulieren die Feuchte in den Innenräumen. „Die Forschung zeigt, dass man im Altbaubereich, wo man keine Dämmung hat, Wärmeverluste durch die Wand um 20 Prozent reduzieren kann“, erklärt Projektleiterin Azra Korjenic von der TU Wien. Außerdem schützt die Begrünung die Fassade vor Schlagregen, Wind und direkter Sonneneinstrahlung. Auch das Folgeprojekt (weiterführende Untersuchungen: BMK) in der Kandlgasse hat zahlreiche neue Erkenntnisse geliefert. Im Vergleich weist die Efeutute (Pflanzenart aus der Familie Aronstabgewächse) die höchste Wirkung in Bezug auf die Raumluftqualität auf.
Verbessertes Kleinklima
Ein weiterer Vorteil von Begrünungen ist, dass Pflanzen Feinstaub aus der Luft filtern können. „Wir haben gemeinsam mit Anne Kasper-Giebl von der Fakultät für technische Chemie der TU Wien Schwebstaubpartikel unterschiedlicher Größe gemessen – in begrünten Räumen ist ihre Konzentration geringer“, erklärt Korjenic. Auch die CO2-Konzentration in der Luft nimmt durch die Begrünung etwas ab. Schulbegrünungen sind Korjenic‘ Spezialgebiet. Nach dem GrünPlusSchule-Projekt entstanden einige Folgeprojekte: etwa die vom Klima- und Energiefonds geförderten Schulprojekte (GRÜNEzukunftSCHULEN, GRÜNEzukunftSCHULEN² und MehrGrüneSchulen) sowie weitere von der BIG unterstützte Projekte. „Mit einem Schritt erreichen wir mehrere Ziele. Wir erforschen die Begrünungen mit allen ihren Techniken und Wirkungen, nehmen Bewohner und Entscheidungsträger der Zukunft mit und generieren so eine nachhaltige Energie- und Ressourceneffizienz. Außerdem schaffen wir ein Bewusstsein für eine auf Umweltschutz orientierte Generation“, so Korjenic.
Mehr Grün – mehr Wohlbefinden
Wie diese vertikalen und horizontalen Gärten bei den einzelnen Gebäuden aussehen können, ist von Planungsaufgabe zu Planungsaufgabe unterschiedlich. Jedes einzelne Gebäude hat seine eigenen Auflagen und gestalterischen Herausforderungen. „Einen grünen Pelz darüberzuziehen, ist nicht die Lösung“, sagt Gerhard Huber vom Büro Rataplan. Die Architekten haben in den letzten Jahren einige Projekte mit Fassadenbegrünungen realisiert. War es früher beispielsweise heikel, Tröge auf den Gehsteig zu stellen, so gibt es heute immer mehr Gebäude mit dieser Lösung. Trotzdem bleiben viele Fragen: Besteht die Gefahr, dass jemand hineinlaufen könnte? Ist es möglich, den Müll dort zu entsorgen? Kann die Konstruktion beklettert werden und ist sie sicher vor Vandalismus?
Unterschiedliche Konstruktionen
Bei der Fassadensanierung des Bürohauses in der Grabnergasse (Wien-Mariahilf) hat Rataplan eine Tragkonstruktion auf eigenem Fundament vor das Gebäude gestellt. An den tragenden Stützen sind Tröge befestigt, die die Konstruktion aussteifen. Die Tröge sind abwechselnd mit fest stehenden Sonnenschutzlamellen angeordnet und sorgen für optimale Beschattung bei gleichzeitig freiem Blick.
Das Hebewerk Laaerberg (Wien-Favoriten) stellte mit seiner bestehenden luftigen Glaskonstruktion andere Anforderungen an seine Fassadenbegrünung. Hier entschieden die Planer, das in der Gebäudemitte liegende Glaselement durch Rankgerüste in Form von zweidimensionalen Bäumen hervorzuheben. An diesen Gerüsten wachsen bodengebundene Rankpflanzen wie Blauregen empor und unterstreichen die Form der Bäume. An den verputzten Flächen rechts und links davon wächst Veitschi (Parthenocissus tricuspidata), der sich mit seinen Saugnäpfen eigenständig an der Fassade festhält.
Als Antwort auf eine städtische Hitzeinsel entstand die Begrünung des Umspannwerks „Zedlitzhalle“ (Wien-Innere Stadt): „Im Inneren ein Umspannwerk, außen ein Netzwerk für Pflanzen, die kühlen und den klimabedingten Hitzeinseln vorbeugen. Auf knapp 300 Quadratmetern wächst hier eine naturnahe Klimaanlage“, so beschreiben Rataplan ihren Entwurfsgedanken auf der Schautafel am Gebäude der Wiener Netze. Das erzielen sie mit Trögen aus ausgesteiftem Stahlblech und darüber montierten Niro-Rankrohren. Die Tröge wurden auf Abstandhaltern unterschiedlich hoch und breit auf ein Streifenfundament gestellt, in das eine Abflussrinne eingelassen ist. Auf dem 18 Meter hohen Klettergerüst wachsen verschiedene Blauregenarten mit unterschiedlichen Blühfarben.