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Die Stadt von morgen – Stadtplanung, Wohnbau und Baukultur in Wien

Vor welchen Herausforderungen steht eine Stadt wie Wien beim Thema leistbares Wohnen, "Neues soziales Wohnen" und den Themen Stadtentwicklung, Architektur, Baukultur? Und wie hängen diese Themen zusammen?

Vor welchen Herausforderungen steht eine Stadt wie Wien bei den Themen leistbares und „Neues soziales Wohnen“, Stadtentwicklung, Architektur, Baukultur? Und wie hängen diese Themen zusammen? Für Diskussionsstoff war gesorgt, als sich am 31. Mai auf Einladung des ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE und der Plattform BAU MASSIV Experten aus Politik, Stadtplanung, Architektur und der Bauwirtschaft in der Seestadt Aspern trafen.

Georg Niedermühlbichler, Wiener Gemeinderat und Präsident der Mietervereinigung Österreichs, legte – in Vertretung der Wiener Wohnbaustadträtin – die stadtplanerischen Ziele der Bundeshauptstadt dar. Als wachsende Stadt brauche Wien zusätzlichen, leistbaren Wohnraum in einer zeitgemäßen, hochwertigen Ausstattung. Zugleich seien 50 Prozent der Wiener Fläche als Grünraum beizubehalten. Die Zeitspanne zwischen der Projektentwicklung und der Übergabe eines Wohnbaus werde verkürzt, versprach Niedermühlbichler.

Wohnen von morgen heute planen

Kurt Hofstetter, Koordinator der Internationalen Bauausstellung IBA_Wien, meinte, Stadtquartiere seien der Garant, dass das vorhandene Innovationspotenzial und die Versorgungsqualität im Wiener geförderten Wohnbau gehoben werden könnten. Bei Wohnbauprojekten wie der Berresgasse oder dem Quartier An der Schanze habe man bereits in frühem Stadium Synergien erkannt, Projekte wie Neu Leopoldau, das Quartier am Seebogen in der Seestadt oder das Sonnwendviertel hätten span­nende neue Lösungen gebracht.

Christoph Hrncir, Leiter der Wiener Magistratsabteilung 21B – Stadtteilplanung und Flächenwidmung Nordost, machte deutlich, dass Wohnen von morgen bereits heute geplant werden müsse. Wohnungen bräuchten Leistbarkeit, aber auch Wohlfühlcharakter, wovon auch die Stadtplanung betroffen sei – Stichworte Querlüftung, Lärmquellen etc. Das Gebäude als Raum zum Wohnen und Arbeiten brauche auch Freiräume. Die Gasse müsse vom Status als reiner Transitraum zu einem begrünten, interaktiven Aufenthaltsraum werden. Die Seestadt Aspern sei ein gutes Beispiel dafür, so Hrncir. Auf Stadtteil- und Bezirksebene gehe es für die Stadtplanung darum, Entwicklungsgebiete zu definieren und dafür Grünräume abzusichern. Die Welt von außen schließlich habe selbstverständlich auch Einfluss auf die Wiener Stadtplanung – etwa beim Klimawandel, auf den planerisch reagiert werden müsse. „Wir lernen immer dazu“, meinte der Leiter der MA 21B in Bezug auch auf die Seestadt.

Urban Lab, ein lernendes System

Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der wien 3420 aspern Development AG und damit für die Projektentwicklungen in der Seestadt hauptverantwortlich, bestätigte diesen Einwurf: „Wir sind nicht perfekt!“ Das System der planerischen und kulturellen Konzeption sei ein lernendes auf Basis des ursprünglich festgelegten Masterplans, der aber ständig nachgebessert werden muss. Die Seestadt sei ein „Urban Lab“, so Schuster, ein Innovationsort. Das alte Konzept „Smart City“ sei überholt und um eine Klimastrategie, die damals noch kaum Thema gewesen sei, ergänzt worden. Für einen Stadtteil wie die Seestadt Aspern sei die Entwicklung entlang definierter Achsen wichtig, mit einer Zentrumsfunktion, einem Mobilitätskonzept, und Überlegungen zur Schaffung einer lebenswerten Umgebung und dem schonenden Umgang mit Ressourcen. Von den bald 2,6 Millionen Quadratmetern Bruttogrundfläche würden 50 Prozent nicht verbaut, sondern seien Grün- und Freiraum, betonte Schuster. Mehr als zwei Drittel der Wohnungen in der Seestadt sind heute geförderter Wohnraum. Eine wichtige Rolle in der Stadtentwicklung der Seestadt spielt das Management der Erdgeschoßzonen. Definiert werden Typen von Sockelzonen sowie Qualitätskriterien wie Gestaltung, Raumhöhen oder Vorzonen. Entlang der wichtigsten Achsen werden die Erdgeschoßzonen auch im Detail programmiert, um Leerstand und Ausfälle zu vermeiden.

Als „neue Stadtbausteine“ bezeichnet Schuster das Konzept der Hochgaragen, das sich mit Cafés im Erdgeschoß und Kulturgaragen am Dach zu hybriden Parkhäusern weiterentwickle. Der motorisierte ­Individualverkehr soll von derzeit noch ­
28 Prozent auf 20 Prozent Anteil verringert werden. Auch das Entwässerungssystem „Schwammstadt“ gehört zu den innovativen Konzepten in der Seestadt. Dabei wird gesammeltes Wasser in öffentlichen Räumen zur Verdunstung gebracht, was zur Kühlung beiträgt.

Die 10 Rs im Hochbau

Silja Tillner, Architektin, Lehrende und ehemaliges Mitglied des aspern Beirates, sprach ebenso den Klimawandel als größte Herausforderung für Planer an. Sie plädierte für die Anwendung der Prinzipien der „10 Rs“ der Kreislaufwirtschaft im Hochbau: Refuse, Rethink, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle und Recover. Die IBA Wien sei dafür eine große Chance gewesen, weil sie zusätzliche Innovationen eingebracht habe, so Tillner. Außerdem brach sie eine Lanze für den Wiener sozialen Wohnbau, der immer schon von Innovationen geprägt war. Lernen könnten Architekten und Stadtplaner auch von der Siedlerbewegung, die bereits vor hundert Jahren sozialreformerische Mustersiedlungen errichtet hat. Bausteine seien dabei die „bürgerschaftliche Eigeninitiative“ und die Eigenarbeit der Bewohner gewesen, die heute vor dem Hintergrund hoher Baukosten wieder interessant sein könnte, meint Tillner. Der Ziegel sei dabei der ideale Baustoff für Selbstbauprojekte, weil er klein und handlich sowie einfach in der Anwendung sei.

Ein Ball, den Johann Marchner, Geschäftsführer, CEO der Wienerberger Österreich GmbH, gerne aufgriff. Seit 200 Jahren habe das Unternehmen viel für leistbares Bauen und Wohnen, aber auch Klima­resilienz beigetragen. An die Partner – Architekten, Stadtplaner und Stadtväter und -mütter – richtete Marchner den Appell: „Lasst uns die bauphysikalischen Kennwerte der Baustoffe nutzen“ – gemeint war damit etwa die Speichermasse von Ziegel, mit deren Hilfe der Weg von der Übertechnologisierung zu einer wartungsarmen und kosteneffizienten Bauweise möglich sei. Als Beispiel zeigte Marchner das Konzept „2226“ der Architekten Baumschlager Eberle, das ohne Heizung oder Kühlung auskomme und nur aufgrund einer Ziegelwandstärke von 76 Zentimetern die Luftfeuchtigkeit reguliert und die Raumtemperatur konstant zwischen 22 und 26 Grad hält. Neben dem Wohnbau „Die drei Schwestern“ in der Seestadt Aspern kündigte Marchner drei Bürogebäude an, die dort nach diesem Prinzip ab Herbst errichtet werden.

Interessante und kontroverse Diskussionen wurden unter reger Beteiligung des Publikums nach Abschluss der Vorträge auch beim Buffet fortgesetzt.

Diskussionsbeiträge aus dem Publikum:

Sne Veselinovic, Architektin: Die Frage sei, was wir von der Seestadt lernen könnten. Die Architektur kommt ihrer Meinung nach zu kurz. Hrncir räumte ein, dass die Stadtplanung viel über öffentliche Räume gelernt habe und lobte das Instrument des Bauträgerwettbewerbs in Wien, bei dem die architektonische Qualität der Projekte eine wesentliche Rolle spielen.

Hofstetter regte an, über das mögliche Weglassen von Regeln zu diskutieren. Am Beispiel des Wohnquartiers Podhagskygasse könne man sehen, was weggelassen werden könnte. Die Regelwerke müssten bei den Veränderungen in der Gesellschaft eigentlich nachziehen, so Hofstetter.

Zur Frage der Stadtplanung in der Bestandstadt meinte Hrncir, dass in Gründerzeitvierteln die Schaffung und Erhaltung von Qualität nicht ohne Reduktion des ruhenden Verkehrs machbar sei. Die städtebaulichen Konzepte bisher seien von großen, breiten Straßen ausgegangen. Wie man diese überbreiten Straßen etwa bei Gemeindebauten anders nutzen könne, darüber könne man noch nicht diskutieren, so Hrncir. Dazu meinte Niedermühlbichler, dass die Gesellschaft vor zehn bis 15 Jahren noch andere Vorstellungen gehabt habe, wie etwa beim Beispiel Neuer Markt in Wien. Urbanes Bauen habe früher „kein Grün“ bedeutet. Heute habe diesbezüglich ein Wandel stattgefunden.

Architekt Gert Mayr-Keber stellte die Frage in den Raum, ob und wie Wohnraum überhaupt noch finanzierbar sei. Kosten einzusparen, sei die Lösung eines gordischen Knotens, räumte Niedermühlbichler ein. Jede diesbezüglich geplante Änderung in der Bauordnung löse große Diskussionen aus. Für Hofstetter liegt die Antwort in der stärkeren Nutzung von Synergien, etwa die mögliche Nutzung des öffentlichen Raums für Energie. Eine wesentliche Maßnahme zur Reduzierung der Wohnkosten sei die neue Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ gewesen, die vorsieht, dass bei größeren Umwidmungen zwei Drittel für den geförderten Wohnbau reserviert sein müssen. Architektin Veselinovic regte darüber hinaus an, die Stellplatzverordnung neuerlich zu evaluieren und zu reduzieren – was Niedermühlbichler zusagte.

Bildergalerie

Interessante Diskussionen zwischen Podiumsteilnehmern und Publikum, auch am Buffet.


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