Der Markt als Religion: Überhaupt kein Staat, ausschließlich privat. Der Markt kann alles, er reguliert alles. Was Patrik Schumacher, Geschäftsführer von Zaha Hadid Architects in London, beim World Architecture Festival in Berlin laut sagte, hätte sich nicht einmal Margaret Thatcher öffentlich zu fordern getraut: „Wohnraum für alle kann nur durch den ungehinderten, selbstregulierenden und selbstmotivierenden Prozess der Marktwirtschaft zur Verfügung gestellt werden.“ Schumacher plädiert für die komplette Abschaffung von sozialem Wohnbau, er lehnt jede Form von regulierenden Planungsmaßnahmen seitens der öffentlichen Hand ab. Flächenwidmungen und Baustandards will er beseitigen, denn diese würden nur Kreativität und Fortschritt sowie die vom Markt selbst zu regulierende Balance zwischen Angebot und Nachfrage sowie die richtige soziale Durchmischung behindern, so Schumacher.
Dass Bewohner von Sozial- und geförderten Wohnungen wie generell alle Menschen Anrechte auf wertvollen Innenstadtraum hätten, sei eine „Tragödie“ – alle Straßen, Plätze, Bezirke, öffentliche Räume sollten eigentlich privatisiert werden. Ja sogar der Hyde Park wäre besser als bebautes Gebiet genutzt, lautete einer seiner Aussagen.
Auf den Tisch hauen und schreien
Das alles würde Schumacher umsetzen, wäre er Bürgermeister von London. Würde er sich einer Wahl stellen, hätte er in Zeiten wie diesen möglicherweise gute Chancen. Nicht nur, aber vor allem in Großbritannien, das sich nach dem Brexit vermutlich noch stärker am großen Cousin USA mit dessen neoliberaler Agenda und einem polternden Präsidenten orientieren wird. Auf den Tisch hauen, simple Schwarz-Weiß-Schemata und angeblich einfache Problemlösungen möglichst laut und vorgeblich „politisch unkorrekt“ rausschreien – das kennen wir aus der Politik zurzeit zur Genüge. Wie sagte Karl Schwarzenberg kürzlich in einem Interview? Wir würden in einer Welt leben, in der „Demagogen und Großmäuler das Sagen“ hätten.
Patrik Schumacher hat mit seinen provokanten Thesen derart auf den Tisch gehauen, dass sich sogar sein eigenes Büro zu einer Distanzierung bemüßigt fühlte, ebenso wie zahlreiche Architekturschaffende und Publizisten, die dafür plädieren, dem „Stararchitekten“ einfach nicht mehr zuzuhören. Doch das ist leider ein Rezept, das schon in der Politik nicht funktioniert. Weil die Medienwelt (und damit auch wir) so funktioniert: Wer am lautesten schreit, wird gehört.