Der Neubau eines Möbelkaufhauses in der Wiener Mariahilfer Straße war zuletzt beim FM-Day im Wiener Hotel Park Hyatt einmal mehr Vorzeigebeispiel. Ein Überführen von Daten aus Planung und Bau für den Betrieb war hier Thema. Drei Viertel der Energie zum Heizen und Kühlen des gemischt genutzten Gebäudekomplexes stellt ein Wärmepumpensystem bereit. Der Rest wird mit Fernwärme geliefert. Im Gebäudebetrieb zeichnet ein Mess- und Reportingsystem alle 15 Minuten Werte auf, als Basis für die Optimierung. Die Bäume am Haus sollen nicht nur Blickfang sein, sondern Terrasse wie auch Umgebung um bis zu 1,5 Grad kühler halten. Architekturplaner Jakob Dunkl (querkraft architekten) hatte bei der Vorstellung des Projekts vor Baubeginn auch den städtebaulichen Mehrwert betont: „Die Flächen am Dach sind auch ohne Konsumation nutzbar und mit den Arkaden wurde die Baulinie um 4,5 Meter unterschritten.“ Nachtgastronomie und Tourismus sollen für „Leben“ auch nach Ladenschluss sorgen. Der Komplex existiert auch als „digitaler Zwilling“ und beim Abgleichen von Geplantem mit Gebautem hätte das geholfen. Es wäre laut Bauleitung aber noch viel mehr Innovation möglich, vor allem in Sachen Gebäudebetrieb.
Datenschatz für den Gebäudebetrieb
Technische Gebäudeausrüster und operatives Facility Management sind zur Architekturplanung eine Art Parallelwelt. Das Verschneiden der zwei Welten soll Projekte im Sinne des optimierten Betriebs in Zukunft auf ein neues Niveau bringen.
BIM kommt noch nicht an
Angesprochen auf BIM und auf den Nutzen fürs Bauprojekt betont Steffen Robbi vom AIT (Austrian Institute of Technology) und Geschäftsführer von „Digital findet Stadt“: „Die Verschneidung von Architektur und Gebäudetechnik ist der größte Anwendungsfall überhaupt.“ Die Durchgängigkeit der Datenlage bis zum Gebäudebetrieb, so die Ergebnisse einer Studie über Pionierbauten, sei nicht zufriedenstellend. An der Technologiereife oder ihrer Tauglichkeit würde das nicht liegen. „BIM kommt beim Gebäudebetrieb derzeit einfach noch nicht an“, sagt Robbi, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit dem AIT Know-how aufzubauen und in der Praxis zu pilotieren. Warum die Potenziale von gewonnenen Daten in aller Munde sind und trotzdem nichts in die Richtung passiert, ist laut Robbi zum Teil den Rahmenbedingungen geschuldet. „Es gibt hier stabile Prozesse, die vorgegebenen Standards folgen“, sagt Robbi und er ortet politischen Handlungsbedarf zur Neuregelung des Ausschreibungswesens. Das Interesse bei den Verantwortlichen in den diversen Planungsgesellschaften sei da. Junge würden sowieso das erworbene Know-how einsetzen wollen und Jobs meiden, wo mit veralteter Technologie gearbeitet wird. Öffentliche seien hier zwar auf Bauträgerseite aktiv, aber ein allgemeines Aufgreifen der Technologie würde nottun. Bei der Stadt Wien sei ein Einsparungspotenzial von 80 Prozent des Materials beim Gebäude als Ziel genannt worden. Das wäre aber nur mittels dem BIM-basierten materiellen Gebäudepass sinnvoll möglich. Für Architekturschaffende sieht der Forscher einen positiven Nebeneffekt: Sie seien von lästigen Nebenpflichten, wie dem Erstellen von Flächenbilanzen, freigespielt.
Technologische Werkzeuge
Architekt Christoph Degendorfer ist mit der von ihm gegründeten Cloudplattform BIMspot vor einiger Zeit auf die Seite der Technologieanbieter gewechselt. Dieser Tage stellte er in Kooperation mit den Baumanagern von Drees & Sommer eine Erweiterung vor. Ein Instrument soll automatisationsgestützte Ausschreibungen für den Gebäudebetrieb ermöglichen. Aus dem BIM-Modell können beispielsweise passende Anlagen- und Flächenlisten erstellt oder FM-Angebote abgeglichen werden.
Gebäude im Sinne der Nutzung weiterdenken, das wollen auch andere kreative Köpfe. Einige davon konnte man am FM-Day kennenlernen. Bei der Idee von LYNUS handelt es sich laut Gründer Matthias Riss um eine Toolbox, um den CO2-Fußabdruck durch Maßnahmen am Gebäude zu reduzieren: „Durch eine KI-basierte Steuerung lässt sich der Anteil des Eigenkonsums von Photovoltaik erhöhen.“ Damit können bis zu 30 Prozent CO2 gespart werden und gleichzeitig würden Betriebskosten gesenkt. Mit dem Ansatz will man sogar das zukünftige Betriebssystem der FM-Branche werden. Das digitale Energieaudit YESSA wurde von Margot Grim (E7 Energy Innovation & Engineering) vorgestellt: „Statt eine lästige Pflicht bietet das Thema Chancen zur Zeitersparnis von 30 bis 50 Prozent.“ Energieflussdiagramme, erforderliche Berichte und eine Maßnahmenbibliothek seien enthalten. Für Begehungen und fürs Erstellen von Anlagenlisten brächte das einen Komfortgewinn.
FIM als kleiner Bruder von BIM
Smarte Lösungen hin oder her, war auch am Rande des FM-Day die gelebte Praxis das Maß aller Dinge. Christian Wimmer, Gerichtssachverständiger für Facilty Management, äußert sich zum digitalen Audit zurückhaltend: „Ein Energieaudit ist eigentlich nur etwas für Sachverständige.“ Geeignet seien derartige Tools aus seiner Sicht für die Vorbereitung. Der Geschäftsführer des Generalunternehmers Auriga, Philip Hochgerner, sah nicht zwingend Bedarf für neuartige Tools: „Über CAFM-Systeme gibt es auch jetzt schon Objektdatenbanken, die man unkompliziert einsetzen kann.“ Peter Fiedler, Geschäftsführer beim Objektbetreuer ASSA, sieht das Thema Digitalisierung der Branche hingegen als eine Frage der Größe: „Viele Unternehmen sind klein und haben nicht die Ressourcen, das von sich aus anzugehen.“ Die gezielte Auseinandersetzung mit dem Thema sucht man beim technischen Gebäudeausrüster Caverion. Dort wird aktuell mit der Stadt Wien als Auftraggeberin beim Bildungscampus Landgutgasse ein Pilotprojekt umgesetzt. Alexander Rust-Ludwig, bei Caverion für die Geschäftsentwicklung zuständig, erklärt die Projektdynamik: „Die Innovationskraft des Einzelnen ist beschränkt.“ Planungen vorausschauend aufs Facility Management abzustimmen und dabei prototypisch dazuzulernen, sei das Ziel. Unter anderem sollen sich im Betrieb Wartungs- und Reinigungsabstände auf die tatsächliche Belegung einzelner Räume abstimmen lassen. Aber auch Material- und Ausstattungsthemen, welche im Betrieb Probleme verursachen, sollen damit besser in den Griff bekommen werden. In Anlehnung an den Begriff BIM verwendet man dafür neuerdings auch die Abkürzung FIM.
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