Für Außenwandkonstruktionen mit Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) oder vorgehängten hinterlüfteten Fassaden (VHF) gab es bis vor Kurzem für die Bemessung des Schallschutzes nur grobe Abschätzungsmöglichkeiten. Grund waren fehlende Methodik und zu wenig allgemein zugängliche Daten. Ein Hemmnis und Risiko für die Wirtschaft, die das fehlende Wissen durch Überdimensionierung der Konstruktionen ausgleichen musste.
Der ecoplus Bau.Energie.Umwelt
Cluster Niederösterreich reagierte auf den Bedarf und startete das kooperative Branchenprojekt „Schall.HOCH.bau“, eine Kooperationsgruppe von 16 Unternehmen und mehreren Akustikexperten, um gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. In einer zeit- und materialsparenden Abfolge führte das Konsortium im Zeitraum zwischen November 2017 und September 2020 mithilfe zahlreicher Luftschallmessungen an vielen Konstruktionsvarianten an der TGM Versuchsanstalt Akustik & Baupyhsik systematisch Untersuchungen im Akustiklabor durch, die diese frequenzabhängige Datengrundlage lieferten. Dabei wurde auch der immer wichtiger werdende tiefe Frequenzbereich (unter 100 Hz) berücksichtigt sowie die Streuungen der Kennwerte der untersuchten Bauprodukte analysiert, um geeignete Unsicherheitsbeiwerte für die Planungsprognose ableiten zu können. Auf dieser Basis konnten die Expertinnen und Experten der TU Wien, Institut für Hochbau und Technologie, Forschungsbereich für Bauphysik, Rechenmodelle für Außenwände mit WDVS und VHF entwickeln. Empirische Modelle wurden dabei mit Erkenntnissen aus physikalischen Modellen ergänzt.
Mit den Erkenntnissen aus dem Projekt, das mit Förderung der FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) möglich wurde, ist nun eine wesentlich flexiblere und deutlich genauere Bemessung des Schallschutzes von Außenwänden aus Ziegelmauerwerk und Beton mit WDVS und VHF möglich. Daraus resultiert ein ressourcenschonenderer Materialeinsatz. Gemeinsam mit einer zeitgemäßen Datengrundlage liefern die Projektergebnisse nun die Voraussetzungen für allgemein anwendbare Planungswerkzeuge. Eine Einbindung in bestehende Bauphysik-Softwareprodukte ist nun ein weiterer möglicher Schritt.
Aus den Produkteigenschaften des Verankerungsgrunds, der Wärmedämmung und der Berücksichtigung der Art der Bekleidung kann nun eine flexible, situationsspezifische Planung von Außenwänden, inklusive Fenstern und Türen und deren spezifischen Einbauweisen in die Wandöffnung, erfolgen. Als Ergebnis werden Prognosen des Schalldämm-Verbesserungsmaßes der geplanten Fassadenkonstruktion und des Schalldämm-Maßes der Gesamtkonstruktion – Verankerungsgrund und Bekleidungselement – ausgegeben.
Eine frequenzabhängige Prognose der Schalldämmung einer Außenwand mit eingebauten Komponenten wie Fenster und Türen ist derzeit nicht möglich, wenn nicht frequenzabhängige Daten aus Luftschalldämm-Messungen von allen Teilelementen verfügbar sind, da das bisherige standardisierte Vorgehen auf einer Abschätzung anhand von Einzahlangaben beruht.
Im Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich gilt der Grundsatz der Materialneutralität: Initiiert werden Forschungs- und Qualifizierungsprojekte, die das Potenzial der material- und gewerkeübergreifenden Zusammenarbeit nützen. Das Clusterteam greift Themen auf, die die gesamte Branche bewegen und konkretisiert sie dann darauf, was in der Wirtschaft tatsächlich benötigt wird.
Informationen
ecoplus Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich
DI Michaela Smertnig
ecoplus.at
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