„Dieses Gebäude war unser Meister, eine Fundgrube weiser, architektonischer Lösungen, raffinierter Details und geometrischer Muster; eine Muse der geschickten Inszenierung des natürlichen Lichts und der Verwendung weniger Materialien; Prägnanz, Einfachheit und Angemessenheit: ein Beispiel für wahre Schönheit, oder besser gesagt ‚concinnitas‘ auf Lateinisch.“ Für die Renovierung und Erweiterung der Cusanus-Akademie, ein Bildungszentrum im Südtiroler Brixen, das sich dem Austausch von Ideen an der Schnittstelle zwischen religiöser und weltlicher Welt widmet, wählte das Architekturbüro MoDusArchitects eine subtile Designstrategie: Um die Akademie besser in die Stadt einzubinden, greift das Projekt in das heterogene Ensemble von Seminarräumen und Gästeunterkünften mit einem Spektrum von Interventionen ein – von mimetisch bis offenkundig neu –, um einen organischeren Komplex zu bilden, der die Gemeinschaft einlädt.
Philosophie trifft Baukunst
Die Cusanus-Akademie – benannt nach Nikolaus Cusanus, einem einflussreichen, aufgeklärten Kardinal und Philosophen aus dem 15. Jahrhundert – befindet sich im östlichen Teil der Stadt am Ufer der Eisack und umfasst drei Gebäude: das Paul-Norz-Haus, das Mühlhaus und das Haupthaus, das vom Architekten Othmar Barth erbaut und als erstes modernes Gebäude von der Denkmalschutzkommission der Provinz Bozen unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das war nicht selbstverständlich, denn bei seiner Einweihung 1962 löste das Gebäude viele Diskussionen aus. Doch von Zwist ist gegenwärtig keine Rede mehr: Heute gilt das Gebäude als eines der Wahrzeichen von Brixen und als Othmar Barths Meisterwerk. Der dem Humanismus der Renaissance zugewandte Cusanus lernte, sich im Zuge verschiedener religiöser und politischer Ämter in Rom aufhaltend, Leon Battista Alberti kennen. Die Affinität zwischen Cusanus‘ und Albertis Ideen der „concinnitas“, der Kongruenz der verschiedenen Teile eines Gebäudes, bildet den Hintergrund für Barths architektonische Ausarbeitung der Beziehungen zwischen Teilen und Ganzem in Hinblick auf Einheit und Harmonie. Die beauftragten MoDusArchitects sollten nun sorgfältig und ausgewogen renovieren, damit die Vielzahl von technischen und gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden kann, ohne die bisherige Unversehrtheit der Akademie zu verletzen. Insbesondere die Notwendigkeit einer besseren Zugänglichkeit veranlasste die Architekten, die vertikale und horizontale Zirkulation in einer neuen Form als Netzwerk von sozialen, öffentlichen Räumen zu überdenken.